Nachhaltigkeit ist das Schlagwort der Zeit und davon profitiert auch der Solarstrommarkt. Bei der Bewertung von Immobilien werden in der Praxis bis anhin kleinere Photovoltaikanlagen bis etwa 30 Kilowatt Peak (kWp) Nominalleistung selten berücksichtigt.

Aufgrund der aktuellen Energiestrategie 2050 des Bundes und der technischen Entwicklung im Bereich Photovoltaik darf angenommen werden, dass eine Anlage zukünftig zyklisch erneuert wird. Sie wird somit ein Gebäudebestandteil, vergleichbar mit einer Heizung oder der Gebäudehülle. Der Photovoltaikertrag ist somit analog zum Mietwert als unbefristeter Teilertrag einer Immobilie zu kapitalisieren.

Die Schwierigkeit bei der Bewertung einer Solarstrominstallation besteht zum einen darin, den Ertrag in Franken zu berechnen, zum anderen in der unterschiedlich langen Gesamtlebensdauer der einzelnen Anlagebestandteile.

Da eine typische Anlage auf einem Wohnhaus grundsätzlich nicht unabhängig vom Rest des Gebäudes veräussert werden kann und die Abgrenzung der Liegenschafts- und Eigentümerkosten in der Praxis nicht stattfindet, können Bewerter bei der Kapitalisierung des Photo­voltaikertrags den Netto- und Brutto­zinssatz der Gesamtimmobilienbewertung zugrunde legen.

Ertragswert bestimmen

Mittels einer Energiematrix kann der Bruttovorteil einer Photovoltaikanlage ermittelt werden. Bewährt hat sich eine Aufstellung gemäss nachfolgender Tabelle. Eigentümer müssen dafür die Solarerträge und die Abrechnungen des Stromlieferanten der letzten Jahre zur Verfügung stellen (farblich hinterlegte Zahlen). Ist der Eigenverbrauch nicht bekannt, kann bei faktisch allen Wechselrichtern der Jahresertrag herausgelesen und die Energiematrix entsprechend vervollständigt werden (Tabelle 1). Beim zukünftigen Gesamtverbrauch der Liegenschaft wird im Beispiel davon ausgegangen, dass sich dieser nicht verändert. Der Mittelwert während der Restnutzungsdauer (RND) entspricht somit dem IST-Mittelwert. Multipliziert mit den aktuellen Kosten pro Kilowattstunde ergibt sich der Betrag, der bezahlt werden müsste, wenn 100% (ökologisch vergleichbarer) Strom eingekauft würde.

Abnehmender Wirkungsgrad

Die Photovoltaikmodule auf dem Dach sind einer konstanten UV-Strahlung ausgesetzt. Dadurch nimmt der Wirkungsgrad ab, man spricht dabei von der Zellalterung. Bei aktuell verbauten Modulen können wir von einem jährlichen Verlust von rund 0,70% der Leistung ausgehen. Der Ertrag der ­Photovoltaikanlage während der Restnutzungsdauer (im Beispiel 27 Jahre) entspricht dadurch nicht dem IST-Mittelwert, sondern verringert sich über die Jahre (siehe Formel 1).

Formel 1: Berechnung des Photovoltaikertrags während der Restlebensdauer

Der Eigenverbrauch und die mögliche Einspeisung ins öffentliche Netz während der Restnutzungsdauer bleiben prozentual gleich, als Basis dient aber der mögliche Photovoltaikertrag während dieser Zeit. In der Beispielmatrix bedeutet dies einen Eigenverbrauch von zirka 37% von 8314 kWh ≈ 3106 kWh. Durch den abnehmenden Photovoltaikertrag aufgrund der Zellalterung wird der nötige Bezugsstrom während der Restnutzungsdauer grösser ausfallen.

Zieht man vom Gesamtverbrauch den effektiv zu kaufenden Bezugsstrom ab, erhält man als Residuum den Wert des Eigenverbrauchs. Addiert man die übrigen Elemente, ergibt sich dadurch der Bruttovorteil der Photovoltaik­anlage.

Dieser Vorteil lässt sich analog zum Mietwert einer Immobilie kapitalisieren. Der Ertragswert der Photovoltaik­anlage lässt sich somit als eigenständiges Wertelement in einer Bewertung auf­zeigen (siehe Formel 2).

Formel 2: Ertragswert einer Photovoltaikanlage

Photovoltaikmodule auf dem Dach eines Einfamilienhauses in Lüterkofen-Ichterswil SO.

Technische Entwertung einer ­Photovoltaikanlage

Ein Photovoltaikanlage können wir grob in nachfolgende Bauteilgruppen mit ­unterschiedlicher Gesamtlebensdauer (GLD) unterteilen:

  • Photovoltaikmodule inklusive Unterkonstruktion und Verkabelung

  • Wechselrichter

  • Energiespeicher resp. Batteriebank (falls vorhanden)

Für Kleinanlagen bis zirka 30 kWp Nominalleistung können wir vereinfacht die Lebensdauertabelle zu Hilfe ziehen (siehe Tabelle 2).

Bei einer angenommenen Lebensdauer der Module von 30 Jahren und des Wechselrichters von 12,5 Jahren ergibt sich eine gewichtete Gesamt­lebensdauer der Anlage von 22 Jahren.

Falls zusätzlich ein Batteriespeicher verbaut wurde, muss dies berücksichtigt werden. Die Kosten für Hausspeicher sind aktuell noch sehr hoch im Vergleich zu den übrigen Komponenten. Entsprechend gross ist der Einfluss auf die gewichtete Gesamtlebensdauer. Die Kapazität der Batterie steht im Vergleich zum Jahresertrag der Anlage, im vorliegenden Beispiel 9100 kWh. Ein Energiespeicher mit einer Kapazität von 10 kWh kann somit rund 1‰ des Jahresertrags speichern.
Die gewichtete Gesamtlebensdauer der Anlage verringert sich durch den Batteriespeicher (GLD 10 Jahre) um sechs auf nur noch 16 Jahre.

Die Reprokosten der Photovoltaikanlage können mit einer Gesamtlebensdauer von 16 Jahren als zusätzliche Bauteilgruppe in der Gesamtbewertung der Liegenschaft berücksichtigt werden.

Es liegt dabei im Ermessen des Bewerters und hängt vom Zeitpunkt der Installation der einzelnen Anlagebestandteile ab, ob eine Gesamtlebensdauer am unteren oder am oberen Ende der Bandbreite gewählt wird. Eine zwanzigjährige Installation weist aufgrund des technischen Fortschritts eine kürzere GLD auf als eine heute projektierte Photo­oltaikanlage.

Einfaches Modell für Kleinanlagen

Photovoltaikanlagen bilden ein bedeutendes Wertelement einer Liegenschaft und dürfen nicht unterbewertet, geschweige denn überhaupt nicht beachtet werden. Die meisten Eigentümer sind begeistert von ihrer Anlage und können der Fachperson, welche die Bewertung durchführt, die nötigen Ertragsrechnungen problemlos liefern. Auch die Stromrechnungen des Elektrizitätswerks sollten kein Hindernis darstellen.

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Martin Häfliger

Mitinhaber und Geschäftsführer Kubikzeit GmbH, eidg. dipl. Baumeister, MAS Real ­Estate Management.

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Anna Kobi

Mitglied der Geschäftsleitung Kobi Architektur AG, MSc in Business ­Administration, MAS Real Estate Management.

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Nicole Strässle

Immobilienbewerterin Raiffeisen Schweiz, MAS Real Estate ­Management.