Während mehr als zehn Jahren bewegten sich die Hypothekarzinsen hierzulande auf einem rekordtiefen Niveau. Stimuliert wurden sie durch den im Negativbereich verharrenden Leitzins der Nationalbank (SNB) und entsprechend billig verfügbares Geld. Seit September 2022 sind die Minuszinsen Geschichte. Und nach insgesamt fünf Erhöhungen steht der Leitzins aktuell bei 1,75%. Ziel der Zinserhöhungen der SNB ist es vor allem, die Inflation zu dämpfen. Die Überlegung hinter diesem von vielen Nationalbanken angewendeten Instrument: Wenn Kredite – etwa für Hypotheken – aufgrund der höheren Leitzinsen teurer werden, nimmt der Konsum ab, sinken die Preise und reduziert sich die Inflation. So weit die Theorie – doch sind die Hypothekarzinsen hierzulande wie erwartet gestiegen und haben sie zu einer Korrektur bei den Immobilienpreisen geführt?

Nachfrage grösser als Angebot

Bezüglich Hypothekarzinsen ist die Antwort klar: Diese haben kräftig zugelegt. Der Saron etwa lag im Mai 2022 noch bei einem Minus von 0,7%. Ende September 2023 bei einem Plus von gut 1,7% (ohne Bankmarge) und auch die Zinsen für Festhypotheken zogen an. Bekam man eine Festhypothek mit 5 Jahren Laufzeit Anfang 2022 noch für gut 1%, bezahlte man Ende Juni fast das Dreifache dafür. In der Folge wurde im Juni 2023 erstmals nach 15 Jahren auch der Referenzzinssatz für die Mietpreisberechnung um 25 Basispunkte angehoben – die Mietpreise werden also anziehen.

Bei den Preisen für Wohneigentum hingegen zeigen die Indizes noch kaum Bewegung. «Bei einer grossen Angebotsknappheit braucht es drei oder vier Quartale, bis die Hypothekarzinsen auf die Wohneigentumspreise durchschlagen», sagt Robert Weinert vom Immobilienberatungsunternehmen Wüest Partner aus Zürich. Beobachten lässt sich bis heute aber nur eine Abflachung des Preisanstiegs. Die Nachfrage hingegen ist um bis zu 40% zurückgegangen (siehe vorausgehende Grafik). Doch auch dafür müssen nicht die gestiegenen Hypothekarzinsen verantwortlich sein: «In den beiden Corona-Jahren gab es einen Run auf Wohneigentum, nun hat sich das normalisiert», sagt Weinert. Dass die Preisentwicklung beim Wohneigentum immer noch leicht nach oben zeigt, hat für ihn verschiedene Gründe. So ist derzeit die Nachfrage noch immer grösser als das Angebot, was den Markt und damit die Preise stabil hält. Zudem gibt es neben dem Hypothekarzins weitere wichtige Einflussfaktoren bei den Immobilienpreisen. Das zeigt ein Blick auf den sogenannten Fundamentalwert (siehe nachfolgende Grafik). Dieser widerspiegelt die Sensitivität der Immobilienpreise in Bezug auf andere Faktoren. Dabei zeigt sich etwa, dass die Inflation oder das Bevölkerungswachstum grösseren Einfluss auf den Preis von Einfamilienhäusern haben als steigende Hypothekarzinsen.

Lesebeispiel: Wenn der Hypothekarzins um 72 Basispunkte steigt, sinken die Preise für Einfamilienhäuser um ein Prozent.

Dass die Immobilienpreise bis anhin nicht wesentlich auf die gestiegenen Zinsen reagiert haben, ist auch für Ursina Kubli, Leiterin Immobilien Research bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB), gut erklärbar. Als Hauptfaktor sieht sie ebenfalls die knappe Verfügbarkeit von Wohneigentum: «Trotz höherer Zinsen hat das Angebot von bestehenden Liegenschaften nur leicht zugenommen, während der Neubau auf tiefem Niveau verharrt.» Treiber der Nachfrage ist gemäss Kubli die zunehmende Knappheit am Mietwohnungsmarkt: «Da seit einigen Jahren vor allem kleinere Mietwohnungen gebaut werden, bleibt Wohneigentum gerade bei Familien mit entsprechendem Budget sehr begehrt – auch wenn rein rechnerisch Mieten derzeit wieder günstiger wäre als Kaufen.» Ein weiterer wichtiger Faktor ist laut Kubli die hohe Zahl an Festhypotheken: Gut 80% der Schuldner:innen haben eine mehrjährige feste Hypothek abgeschlossen. Entsprechend viele von ihnen werden noch einige Jahre von tiefen Zinsen profitieren. Das wiederum senkt den Anreiz, beziehungsweise die Notwendigkeit, zu verkaufen, weil der Zins nicht mehr bezahlt werden kann. Denn würden Immobilien in grösserem Mass aufgrund von Zahlungsproblemen abgestossen, könnte dies ebenfalls zu sinkenden Preisen führen. 

Anlage mit kleinem Ausfallrisiko

Während die Preisentwicklung beim Wohneigentum maximal eine Abflachung zeigt, ist die Lage bei den Renditeobjekten wesentlich unklarer: Die Indizes der Bewertungsunternehmen Wüest Partner, IAZI und Fahrländer Partner zeigen teils gegenläufige Tendenzen. Nach Analysen der ZKB sind die divergierenden Einschätzungen voraussichtlich auf die im Betrachtungszeitraum gehandelten Objekte und deren Zahl zurückzuführen: «Vermutlich haben eher wenige und vor allem kleinere Liegenschaften an peripheren Standorten die Hand gewechselt. Ein Teil des Preisrückgangs könnte auch der schlechteren Qualität geschuldet sein», sagt Kubli. Das würde gemäss Weinert von Wüest Partner durchaus passen: Er beobachtet, dass einige grosse Besitzer von Renditeimmobilien derzeit ihre Portfolios teilweise bereinigen und sich dabei vor allem von schlechteren Objekten trennen. Ein Grund dafür könnte sein, dass durch die steigenden Zinsen andere Anlagen als Immobilien interessanter geworden sind und beispielsweise Pensionskassen oder Versicherungen ihren Immobilienanteil wieder reduzieren und die frei werdenden Gelder anderweitig anlegen. Ein weiterer Grund ist bei den gestiegenen Instandsetzungskosten zu finden.

Grosse Veränderungen bei den Transaktionen, die zu einer Preisreduktion führen könnten, sind auf dem Markt derzeit nicht erkennbar. «Immobilien sind nach wie vor eine interessante Anlage», sagt Kubli von der ZKB. Leerstände gebe es kaum und die aufgrund des höheren Referenzzinssatzes möglichen Mietzinserhöhungen inklusive Anpassung bei der Teuerung würden die Profitabilität von Renditeimmobilien zusätzlich stärken. «Hätte der Zinsanstieg vor fünf Jahren stattgefunden, wären die Reaktionen aufgrund der damaligen Leerstände am Markt wohl klarer spürbar gewesen», bringt es Kubli auf den Punkt.

Kommt die nächste 
Zinsrunde?

Wohin die Reise bei den Zinsen und Immobilienpreisen in den nächsten Monaten gehen wird, lässt sich nur schwer beurteilen. Klar ist hingegen, dass die Schweiz derzeit im europäischen Umfeld eine Spezialstellung einnimmt. In diversen Ländern gab es teils massive Korrekturen bei den Immobilienpreisen, so etwa in Schweden, wo teilweise Einbussen von mehr als 10% zu verzeichnen waren, oder in Deutschland mit einem Minus von gut 5%. Einen allzu tiefen Blick in die Glaskugel bezüglich Zinsen und Immobilienpreisen wagt hierzulande aber niemand so richtig. Ein entscheidender Faktor dürfte die Teuerung sein: «Bewegt sich diese unter 2%, müsste die Nationalbank dieses Jahr nicht nochmals eingreifen», sagt Weinert von Wüest Partner. Liegt die Teuerung auf den Winter hin jedoch bei über 2%, dürfte die Nationalbank den Leitzins nochmals anheben, womit wiederum die Hypothekarzinsen steigen würden.

Ganz unrealistisch ist auch dieses Szenario nicht: Da die Mieten ein Bestandteil des Konsumentenpreisindex sind, könnte dieser ab Oktober zulegen. Denn ab dann steigen die Mieten aufgrund der Referenzzinsanhebung vom Juni. «Selbst wenn der Index wieder auf über 2% steigt, gehe ich davon aus, dass die starken Zinsanstiege vorbei sind», sagt Weinert von Wüest Partner. Er geht deshalb auch mittelfristig von weiter sich stabil entwickelnden Preisen für Wohneigentum aus (siehe vorausgehende Grafik). Verschiedene Faktoren stützen diese Einschätzung: Die Schweizer Wirtschaft zeigt sich stabil, die Neubauquote und damit das Angebot an Immobilien sinken und können die Nachfrage weiterhin nicht befriedigen, die Zahl der Haushalte nimmt aus gesellschaftlichen und demografischen Gründen tendenziell zu und auch die Prognosen für das Bevölkerungswachstum zeigen weiterhin nach oben: Die 9-Millionen-Marke soll noch dieses Jahr erreicht werden und bis 2030 sollen hierzulande gar gegen 9,5 Millionen Menschen leben.

Hinweis: Alle Prognosen und Daten basieren auf dem Stand von Ende September 2023. Die Schweizerische Nationalbank hat den Leitzins im September nicht weiter erhöht. Er verharrt aktuell auf 1,75%.