Seit der Herausgabe des Themenheftes «Zinssätze» im Jahr 2019 ist in der Zinslandschaft einiges geschehen. Die Fremdkapitalzinsen haben angezogen, der Referenzzinssatz ist gestiegen und wir haben sogar wieder eine spürbare Inflation. Es stellt sich die Frage, inwieweit sich das Themenheft im veränderten Umfeld bewährt hat. Die gute Nachricht vorab: Die entwickelte Methodik für den Aufbau des Nettozinssatzes ist krisenfest!

Besonders die Unterteilung in As­pekte des Immobilienmarkts und As­­pekte des Objekts lässt Bewerter:innen nun auch ohne reichhaltige Erfahrung die Möglichkeit, Veränderungen des Immobilienmarktes abzubilden, ohne dass objektspezifische Faktoren ange­tastet werden müssen. Bekanntlich wird der risikoarme Immobilienbasiszinssatz monatlich bei grösseren Bewertungs­häusern erhoben. Durch das kurze Intervall ist sicher­gestellt, dass Bewerter:innen der Entwicklung nicht hinterherhinken. Da die Immobilienbewertung ohnehin immer auf einen Stichtag hin erfolgt, muss auch keine Antizipierung für die Zukunft erfolgen. Hingegen dürfte die bisherige Entwicklung selbstverständlich einen Hinweis auf die mögliche Zukunft beinhalten. Erst bei einer Stabilisierung des Immobilienbasiszinssatzes kann davon ausgegangen werden, dass sich der Markt beruhigt und die Immobilienpreise nicht weiter unter Druck kommen. Die Entwicklung der letzten Monate stellt sich wie folgt dar (siehe nachfolgende Tabelle).

Sowohl im Rahmen der CAS-Ausbildungen an den Fachhochschulen wie auch bei der Überprüfung von Marktwertgutachten können wir oft feststellen, dass Bewerter:innen den Immobilienbasiszinssatz bis zur zweiten Kommastelle übernehmen. Da es sich um einen Durchschnitt von acht Unternehmen handelt, ist dies nicht notwendig und impliziert eine Genauigkeit, die von vornherein nie vorhanden ist. Von den teilnehmenden Unternehmungen hat keine den Zinssatz auf 2,01% festgelegt! Von der Methodik­gruppe SIREA wird empfohlen, den Zinssatz auf zumindest 0,05% zu runden, wobei der Autor eine Rundung auf 0,1% favorisiert.

«Die entwickelte Methodik ist krisenfest.»

Beispiel Wohn- und ­Geschäftshaus

Wohn- und Geschäftshaus in Thun mit sechs Wohnungen sowie Gewerbe- und Büroräumlichkeiten.

Anhand des folgenden Beispiels soll aufgezeigt werden, wie sich die Entwicklung in der Praxis darstellen lässt. Es handelt sich um ein Wohn- und Geschäftshaus in Thun mit einer sehr guten Mikrolage. Die sechs Wohnungen verfügen über eine schöne Fernsicht, sind zweckmässig ausgebaut und gut unterhalten. Die Gewerbeobjekte und das Büro sind robust und seit mehreren Jahren an die gleichen Mieter vermietet. Diese haben auch die Pandemie insoweit überstanden beziehungsweise überlebt. Mit einem Mietertrag von CHF 300 000 (für dieses Beispiel willkürlich angepasst) wurde im August 2022 folgender Zinssatz aufgebaut (siehe nachfolgende Tabelle).

Bei der kürzlich erfolgten Wieder­bewertung im Juli 2023 wurde dem veränderten Immobilienbasiszinssatz ­Rechnung getragen. Daneben ist aktuell gerade auch in dieser Region eine grössere Zurückhaltung bei vielen Investoren festzustellen, entsprechend wurde der lokale Nachfrageüberhang leicht nach oben korrigiert. Mitentscheidend ist nun aber, dass auch die Kosten in Prozent angepasst werden müssen, da sich die entsprechenden Ertragsanteile ansonsten verschieben und nicht mehr den beurteilten Kosten entsprechen (alle Positionen auf 0,01% gerundet, siehe nachfolgende Tabelle).

Berechnung widerspiegelt Marktgeschehen

Der Bruttozinssatz steigt somit nicht nur um die marktbezogenen Anteile von 0,25%, sondern um gesamthaft 0,37%! Der Ertragswert (ohne Abzug einer technischen Entwertung) sinkt als Folge davon von CHF 7 317 000 um 8,3% auf CHF 6 711 000. Diese spürbare Korrektur entspricht den Beobachtungen im regionalen Markt. Die Rückstellungen, welche üblicherweise mit dem Nettozinssatz berechnet werden, verändern sich in diesem Beispiel übrigens nur deshalb nicht, weil sich der Autor für deren Berechnung nicht explizit auf den Nettozinssatz, sondern auf einen konstanten Kostenzuschlag abstützt. Es kann somit Folgendes festgehalten werden:

  • Das Opportunitätskostenmodell von SIREA ist krisenfest und bewährt sich bei verändertem Umfeld.

  • Der Immobilienbasiszinssatz sollte gerundet mit etwas Fingerspitzen­gefühl in der Bewertung berücksichtigt werden.

  • Eine Anpassung des Nettozinssatzes bewirkt immer auch eine Anpassung der Kostenzuschläge. Zumindest wenn Bewerter:innen die anfallenden jährlichen Kosten sorgfältig beurteilt und festgelegt haben. Diese Mechanik ist leider noch immer nicht bei allen Bewertungen ersichtlich.

Die Festlegung des Nettozinssatzes mit dem gemischten Kapitalkostenmodell ermöglicht übrigens den gleichen Effekt, wobei die Grundlagen aus dem Themenheft «Zinssätze» natürlich konsequent anzuwenden sind (siehe nachfolgende Tabelle).

Nebst der klaren, einfachen und bewährten Struktur lassen sich mit dem gemischten Kapitalkostenmodell vor allem auch kleinere Anlageobjekte oder selbstgenutztes Wohneigentum einfacher abbilden. Entsprechend soll der Artikel auch keine Favorisierung eines der beiden Modelle zum Ausdruck ­bringen. Daneben wird folgendes empfohlen:

  • Darstellung der gewählten Parameter in der Bewertung

  • Angabe der Bandbreite, in welcher sich Bewerter:innen bewegen

  • Begründung, weshalb sich Bewerter:innen an der unteren oder oberen Bandbreite bewegen

  • Mut zur Wahrheit: der Markt schwächt sich ab und Eigen­tümer:innen müssen mit Wert­einbussen rechnen

Heinz Lanz

Geschäftsführer ZIBAG, dipl. Immobilienökonom FH, eidg. dipl. Immobilientreuhänder, Mitglied SIV, BEK SVIT, VAS. ­Dozent CAS Immobilienbewertung, Studienleiter MAS REM , Fachhochschule OST.