Gerhard Demmelmair, wie häufig wird das Portfolio von Mobimo neu bewertet und welchen Nutzen haben die Resultate?

Wir lassen unser Portfolio halbjährlich extern bewerten. Die Ergebnisse sind für uns wichtig, um zu sehen, wo wir im Markt stehen. Zugleich können wir abschätzen, wo der Cashflow hinsteuert, und wir überprüfen damit die Langfristplanung für unsere Liegenschaften. 

Die Indizes der drei grössten Be­wertungs­firmen für Renditeimmobilien zeigen aktuell sehr unterschiedliche Tendenzen. Wie schätzen Sie das Geschehen ein?

Was die Entwicklung der Preise angeht, wäre ich mit Aussagen derzeit noch vorsichtig. Denn es gibt aktuell viel weniger Transaktionen als früher. In Genf beispielsweise hat sich das Transaktions­volumen zwischenzeitlich fast um den Faktor 20 reduziert. Daher sind die publizierten Indizes meiner Meinung nach aktuell fast ein bisschen ein Blindflug.

Hat die reduzierte Transaktionszahl damit zu tun, dass alle abwarten, was geschehen wird?

Bei Immobilien handelt es sich typischerweise um einen eher «illiquiden Markt». Daher ist es in einer Phase, wie wir sie derzeit haben, üblich, dass das Transaktionsvolumen sinkt. Offensichtlich finden sich derzeit viele Käufer und Verkäufer preislich nicht. Da die meisten Verkäufer aufgrund solider Finanzierungsquoten nicht zwingend verkaufen müssen, gewähren sie auch keine Preisnachlässe und es finden weniger Transaktionen statt. Wir selbst konnten unsere vereinzelten Verkäufe Ende 2022 jedoch zu guten Preisen durchführen, haben aber bemerkt, dass die Zahl der Kaufinteressenten abgenommen hat.

Haben Sie intern aufgrund der ­veränderten Situation die Regeln für Transaktionen geändert?

Wir agieren derzeit auf dem Transaktions­markt etwas zurückhaltender und fokussieren stärker auf die Umsetzung von Projekten aus unserer eigenen Pipeline. Dazu gehören sehr attraktive Projekte an guten Standorten. 

Mobimo ist in allen drei Segmenten – Wohnen, Gewerbe, Büros – tätig. Spüren sie je nach Segment Unterschiede?

Der Markt für Wohnimmobilien ist nach unserer Beobachtung grundsätzlich sehr stabil, er gilt ja auch als konjunktur­resistent. Einzig sehr teure Toplagen und Objekte an schwierigen Standorten könnten unter Druck kommen. Bei den Büros sehen wir, dass gute Lagen weiterhin gefragt sind. Man spürt aber den Einfluss des Homeoffice-Trends. Gerade peripher gelegene Bürobauten könnten es künftig schwerer haben. Beim Gewerbe läuft es an innerstädtischen Lagen sehr gut. Analog zu den Büros haben aber peripher gelegene Gewerbeliegenschaften einen schweren Stand. Allgemein kann man sagen, dass sich aufgrund der veränderten Marktsituation vermehrt die Spreu vom Weizen trennen wird – nicht nur bezüglich Lage, sondern auch bezüglich Eigentümern.

«Immobilien sind weitgehend vor Inflation geschützt.»

Können Sie das verdeutlichen?

Wir sind klar der Meinung, dass man eine Immobilie, um sie erfolgreich betreiben zu können, verstehen und richtig managen muss. Ist das nicht der Fall, ist es schwer, Leerstände zu vermeiden und die gewünschte Rendite zu erzielen. Auch die Nachhaltigkeit einer Liegenschaft bekommt in diesem Zusammenhang immer mehr Gewicht – etwa bezüglich Reduktion des Energieverbrauchs und weiteren Nachhaltigkeitsaspekten. Wer hier nicht rechtzeitig agiert, kommt künftig vermehrt unter Druck. 

Spielt die erfolgte Erhöhung des Referenzzinssatzes, der noch eine zweite Runde folgen könnte, den professionellen Immobilien­besitzern in die Hände?

Das Mietrecht lässt zu, dass bei veränderten Hypothekarzinsen Anpassungen vorgenommen werden dürfen. Wo nötig, können wir die Mietzinsen aufgrund des gestiegenen Referenzzinssatzes oder des Landesindex der Konsumentenpreise anpassen. Dadurch sind Immobilien weitgehend vor Inflation geschützt und das macht sie als Anlage weiterhin in­teres­sant. Dazu kommt vor allem auf dem Wohnungsmarkt die sehr hohe Nachfrage, kombiniert mit einer zu tiefen Produktion. Das ist einerseits für uns gut, da es Leerstände verhindert, wiederum aber ist es auch ein gesellschaftspolitisches Problem. 

Wieso?

Projekte brauchen heute für die Um­­setzung sehr lange, etwa aufgrund ­aufwendiger Baubewilligungsverfahren. Dadurch können wir nicht so schnell auf die Marktnachfrage reagieren, wie wir gerne würden. 

Wenn Sie fünf Jahre zurückschauen – wo sehen Sie gegenüber heute die grössten Unterschiede bei Renditeimmobilien?

In Zeiten von tiefen Zinsen, günstigem Geld und extrem hoher Nachfrage konnte man fast nichts falsch machen. Aktuell ist die Situation, wie schon angedeutet, wesentlich herausfordernder und die Anforderungen an die Player im Markt einiges höher. Geld kostet wieder und man muss sich Investitionen besser überlegen. Das dürfte wohl der Hauptunterschied zur Situation vor fünf Jahren sein. Gewandelt haben sich aber auch die Herausforderungen bei der Entwicklung neuer, grösserer Projekte, die oft mit partizipativen Verfahren verknüpft sind. Dazu kommen die zum Teil hohen Anforderungen von künftigen Nutzern an die Gebäude. All das muss man sich als Entwickler und Investor leisten können.

«Geld kostet wieder und man muss sich Investitionen besser überlegen.»

Sie haben das teurere Fremdkapital angesprochen. Hier könnte sich die Lage, bei einer möglichen weiteren Anhebung des Leitzinses, nochmals verschärfen. Welchen Einfluss hat dies auf Ihre Arbeit?

Wir haben die komfortable Situation, dass wir viele Objekte an sehr guten Lagen besitzen. Dazu kommt, wie schon angesprochen, unsere Pipeline mit Projekten, die wir anpacken können. Daher sind wir nur bedingt auf das teurer gewordene Fremdkapital angewiesen. Entsprechend würde uns eine weitere Zinsrunde nicht allzu stark betreffen. Aber klar: Wir sind vorsichtiger geworden und schauen, dass wir unsere Eigenkapitalquote hochhalten – etwa indem wir für die Realisierung eines neuen Projekts eine andere Liegenschaft abstossen. Dieses Kapitalrecycling passt zu unserer Strategie, mit einer gewissen Behutsamkeit auf die aktuelle Phase zu reagieren. 

Würde ein weiterer Zinsanstieg ihre Strategie verändern?

Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass – von einer eventuell letzten kleinen Runde abgesehen – kein weiterer Anstieg mehr zu erwarten ist. Ich teile diese Ansicht. Wenn es so ist, würde sich am eingeschlagenen Weg für uns kaum etwas ändern und ich gehe dann auch davon aus, dass Immobilien weiterhin eine attraktive Anlage bleiben – nicht zuletzt aufgrund des bereits erwähnten Inflationsschutzes, den beispielsweise andere festverzinsliche Anlagen nicht bieten können. 

Wenn Sie noch weiter in die Zukunft blicken, wie sehen Sie dann die ­Entwicklung auf dem Markt für Renditeimmobilien?

Ein Blick in die Glaskugel ist schwierig. Daher muss man immer in Szenarien denken. Wenn man von moderat steigenden Zinsen ausgeht, wird es kleine Abwertungen bei einem Teil der Liegenschaften geben. Steigen die Zinsen hingegen stärker, dann steigt auch das Risiko für grössere Korrekturen. Grundsätzlich gehe ich aufgrund von Angebot und Nachfrage davon aus, dass der hiesige Immobilienmarkt gesund ist. Wir sind immer noch ein Wachstumsland und solange wir wollen, dass dies so bleibt, sind auch Immobilien attraktive Anlageobjekte.

Zu Mobimo

Die Mobimo AG wurde 1997 von Alfred Meili zusammen mit dem Privatbankier Karl Reichmuth und weiteren Investoren gegründet. Seit 1999 ist sie als Holding strukturiert und seit 2005 an der SIX Swiss ­Exchange kotiert. Mobimo ­verfügt über ein breit diversi­fiziertes Portfolio in der Deutsch- und Westschweiz im Gesamtwert von rund 3,7 Milliarden Franken. Das Unter­nehmen entwickelt, bewirtschaftet sowie vermarktet seine ­­Wohn- und Geschäfts­liegenschaften selbst.

Gerhard Demmelmair, 52, ist seit 2020 für Mobimo tätig. Er verantwortet den Geschäftsbereich Portfolio und Trans­aktionen. In dieser Funktion ist er für das Port­foliomanagement, die Transaktionen von Liegenschaften sowie die Immobilienvermarktung zuständig. ­Demmelmair hat an der ETH in Zürich Bauingenieur studiert und vor seinem Gang zu Mobimo unter anderem für Swiss Life Asset Management sowie die Versicherung Nationale Suisse ­gearbeitet.