50000
neue Wohnungen pro Jahr

1 %
Neubauquote

«Wir haben die Ziele klar definiert», sagt Stefan Schädle, Leiter Real Estate Management bei der grössten Pen­sionskasse der Schweiz, der BVK. «Ein Neubau, in den wir investieren, darf mittelfristig den Wert von drei Kilogramm CO2 pro Quadratmeter nicht überschreiten.»

Gemäss Schädle hat die BVK den Absenkpfad schon länger aufgegleist. Die CO2-Emissionen der BVK-Immobilien wurden im Zeitraum von 1990 bis 2019 bereits halbiert, von 25 auf heute 12,5 Kilogramm pro Quadratmeter. Bis 2030 will die Pensionskasse auf unter 5,5 Kilogramm pro Quadratmeter re­­duzieren.

Wer neu bauen oder sanieren will, muss die geltenden gesetzlichen Bestimmungen einhalten. Und diese führen sowohl in der Schweiz als auch europaweit in Richtung Klimaziel Netto-Null 2050. Das Schweizer Stimmvolk hat zwar das revidierte CO2-Gesetz 2021 abgelehnt, trotzdem ist zu erwarten, dass die Vorgaben im Gebäudesektor in Zukunft eher strikter werden, sei dies durch weitere Bauvorschriften oder Lenkungsabgaben. Bereits jetzt ist praktisch jede Sanierung auch mit wärmetechnischen Verbesserungen verbunden. «Dieser Prozess wird durch die politischen Ziele klar beschleunigt», sagt Schädle.

Gesamtpaket muss stimmen

Bei den Immobilieninvestoren werden die ökologischen Komponenten vor allem über zwei Aspekte gemessen: Als nachhaltig gelten Immobilien, die minimale CO2-Emissionen und weniger Abfall generieren. Und dies im ganzen Lebenszyklus. Vom Bau über den Betrieb bis hin zur Renovation oder Abbruch des Gebäudes. Dazu kommen die Faktoren Ökonomie und ­So­ziales. «Für uns muss das Gesamtpaket stimmen», sagt Schädle. «Dazu rechnen wir sowohl den Wasserverbrauch als auch die graue Energie mit ein. Und wir setzen auf nachhaltige Baumaterialien und Bauweisen.» Die BVK richtet ihren Kriterienkatalog auf den Standard für nachhaltiges Bauen in der Schweiz (SNBS) aus. Zum Gesamt­paket dazu gehöre nach wie vor auch die Lage, betont Schädle: «Es nützt nichts, ein Minergiehaus auf dem Land ohne Anschluss an den öffentlichen Verkehr zu bauen.»

Wirtschaftlichkeit ist noch ­immer entscheidend

Investoren handeln nicht in erster Linie aus altruistischen Gründen, sondern erwarten mittel- bis langfristig eine Rendite. «Als Pensionskasse sind wir gegenüber unseren Destinatären verpflichtet. Mit dem uns anvertrauten Geld muss also zwingend treuhänderisch umgegangen werden», bestätigt Schädle. Das eine schliesse das andere aber nicht aus: «Wenn man alle Anforderungen an die Nachhaltigkeit erfüllt, ist der Mehrpreis beim Bauen relativ bescheiden.» Dazu komme, das die Energiepreise steigen. Somit seien nachhaltige Gebäude in der Gesamtrechnung wirtschaftlicher. 

Eine aktuelle Studie von PWC und dem Urban Land Institute zeigt auf, dass der Trend europaweit zu spüren ist. Gemäss der Studie sehen Investoren die Auswirkungen der Nachhaltigkeit auf Immobilieninvestitionen bereits jetzt. Die Studie zeigt zudem auf, dass sich viele Investoren von sogenannt «gestrandeten» Vermögenswerten fernhalten. Damit gemeint sind Liegenschaften, bei denen eine Sa­­nierung sehr aufwändig und teuer wäre. Dies resultiert im sogenannten Brown Discount, einem «Ausverkauf» von weniger nachhaltigen Objekten. Damit ist klar, wer jetzt nicht in die Nachhaltigkeit investiert, steht über kurz oder lang am kürzeren Hebel. «Wer nicht bereit ist, aufzurüsten, stösst seine nicht nach­haltigen Gebäude ab», sagt Schädle. «Da dies alle tun, wird es immer schwieriger werden, eine Energieschleuder zu verkaufen. Nachhaltige Immobilien entwickeln sich langfristig besser», ist Schädle überzeugt.

Intelligente Lösungen gefragt

Welche Lösung aber macht das Rennen, wenn es um die Energie geht? Sind es Wärmepumpen, Solarzellen, die thermische Seewassernutzung? «Man muss immer weiter denken», sagt Schädle. So sieht der Immobilien­experte zum Beispiel auch grosses Potenzial in der sogenannten «Low-Tech»-Bauweise bei Neubauten. «Der Verbund aller Möglichkeiten ist der optimale Ansatz», sagt Schädle. Die BVK investiert aktuell zusammen mit dem WAS (Wirtschaft, Arbeit, Soziales) in Luzern in ein solches Projekt. Das neue Sozialversicherungszentrum auf dem Eichhofareal wird ganz ohne Heizung auskommen. Dies funktioniert über dicke Mauern, welche die Wärme speichern, und über eine intelligente Lüftung. Die Solarfassade und -dächer liefern den Strom und Wärmepumpen liefern die Heiz- und Kühlleistung für die Wohnbauten. 

«Ich glaube, dass solche neuen Lösungen einen wichtigen Anteil an der Energiewende haben werden», sagt Schädle. Bei nachhaltigen Immobilien scheint die Rechnung also für alle aufzugehen. Investoren können weiterhin Gewinne erzielen, die Mehrkosten werden mehrheitlich durch tiefere Nebenkosten kompensiert, was auch die Mieter freut. Bleiben die Privat­besitzer. In der Schweiz befinden sich gemäss Bundesamt für Statistik 57 Prozent aller Wohneinheiten in Privatbesitz. «Man kann Hauseigentümer aufgrund des Eigentumsrechts nicht zwingen, Sanierungen vorzunehmen», sagt Schädle. «Es ziehen aber auch hier bereits viele mit.» Als Gründe nennt Schädle, dass das Bewusstsein um den globalen Klimawandel in der Bevölkerung gestiegen ist. Ausserdem rechne sich die Nachhaltigkeit auf Dauer auch für Privatbesitzer: Die Energiekosten sind tiefer, man muss weniger Lenkungsabgaben bezahlen, die Kosten für wärme­technische Sanierungen können von den Steuern abgezogen werden und Bund und Kantone unterstützen Hausbesitzer bei Sanierungen finanziell. Ein weiterer Anreiz sind vorteilhafte Finanzierungsmöglichkeiten. Um energetische Sanierungen zu unterstützen, vergibt beispielsweise die BVK derzeit die «0,0-%-Ökohypothek» – eine Hypothek über CHF 50000 ohne Zinskosten.

Rückt also das Klimaziel 2050 schon bald in greifbare Nähe? Stefan Schädle ist eher skeptisch: «Wir können nur mit grosser Masse eine grosse Wirkung erzielen. Ganz Null wird es wahrscheinlich nicht geben, dafür müsste politisch noch viel mehr passieren.» 

Stefan Schädle (1963) ist dipl. Architekt ETH/SIA, MRICS. Zudem absolvierte er ein Nachdiplomstudium in Wirtschaftswissenschaften an der Kaderschule St. Gallen. Stefan Schädle ist Leiter Real Estate Management und Mitglied der Geschäftsleitung der BVK, Personalvorsorge des Kantons Zürich. Zudem ist er Dozent an verschiedenen Master­studiengängen.

Die BVK ist mit über 130 300 Versicherten die grösste Pensionskasse der Schweiz. Rund 60 Prozent der Kundinnen und Kunden sind von angeschlossenen Arbeitgebern aus den Branchen Gesundheit, Bildung und Verwaltung. Die übrigen 40 Prozent sind Angestellte des Kantons Zürich. Rund 440 Arbeit­geber sind angeschlossen. Das Anlage­vermögen der Pensionskasse beträgt 41,4 Milliarden Franken. Die BVK verfügt über ein grosses  Portfolio an direkt gehaltenen ­Liegenschaften, vermietet über 5300 Wohnungen sowie rund 320 000 Quadratmeter Büro- und Gewerbeflächen und vergibt auch Hypotheken.