Daniel Hengartner, Sie waren neun Jahre Präsident des Schweizer Immobilienschätzer-Verbandes. Spontan: Welches war Ihr grösstes Highlight?
Puh, schwierige Frage (denkt nach). Es ist nicht ein spezielles Thema, das heraussticht – vielmehr waren es verschiedene kleinere und grössere Erfolge und Errungenschaften, die die gesamte Amtszeit zu einer Art Highlight machten.
Erzählen Sie …
Die Wende bei SIREA gehört sicherlich dazu. Wir haben das Ausbildungsinstitut von einem Sorgenkind zu einer Perle weiterentwickelt. Toll war auch die Zusammenarbeit im Vorstand und das Ausloten und Festigen möglicher Zusammenarbeiten mit anderen Verbänden. Das hat alles sehr viel Spass gemacht.
Spass ist gut; was haben Sie inhaltlich bewegt?
Wer mich kennt, weiss, ich entscheide, schaue, modifiziere und entwickle weiter. So pragmatisch war ich auch als Präsident des SIV. Der Verband und auch die Branche waren vor neun Jahren andere. Es gab vieles, was man im Schätzerbereich und für die Bewerter tun konnte. Ein für mich zentrales Thema war die Steigerung der Reputation. Mich hat’s manchmal richtig wütend gemacht, dass der Bewerter nicht ernst genommen wurde. Schliesslich ist er es doch, der als Erster etwas von Wert versteht. Allgemein finde ich, dass jeder, der einen relevanten Part rund um Immobilien spielt, mindestens eine Grundahnung von Immobilienbewertung haben sollte. Wenn man vom Wert nichts versteht, nützt alles nichts. Ein CAS würde bereits helfen. Dass wir es als Immobilienbewerter in die Stammgruppe Planung bei «BauenSchweiz» geschafft haben, in der auch die Architekten, Ingenieure und Geologen sitzen, schenkt ebenfalls ins Thema «Reputationssteigerung» ein. Es ist genau dieses Selbstbewusstsein, das die Bewerter brauchen.
Die Wahrnehmung der Bewerter hat sich verändert. Auch der Markt. Ihr Antritts-Editorial im August 2011 titelten Sie mit «Und wir haben sie doch, die Immobilienblase». «Es bleibe zu hoffen», schrieben Sie weiter, «dass die hohen Preise solide finanziert sind und die Tiefzinsphase genutzt wird, um das Fremdkapital zurückzuzahlen.» Viel Zeit ist verstrichen … wo stehen wir heute?
Das habe ich vor acht Jahren gesagt …?! Damit, dass die Tiefzinsphase so lange anhält, hat wohl niemand gerechnet. Die Aussagen zählen nach wie vor; irgendwann ist die Party vorbei. Deshalb sollte man sich in guten Zeiten möglichst von Banken unabhängig machen. Ich glaube, diese Aufgabe wurde weitgehend gemacht. Bezüglich Veränderungen des Marktes: Ich weiss nicht, ob man heute noch von einem einzigen Immobilienmarkt oder – aufgrund der enormen regionalen Unterschiede – besser von mehreren Märkten sprechen sollte. Was in Chur funktioniert, muss nicht zwingend in Zürich und schon gar nicht in Genf funktionieren. Umso wichtiger sind die lokalen Marktkenntnisse, genauso wie die Fachkenntnisse als Antwort auf eine generell höhere Professionalisierung.
Wir befinden uns in einer Sättigungsphase. Was bedeutet das für den Bewerter?
Er wird immer wichtiger. In einem steigenden Markt ist der Bewerter – böse gesagt – nicht so wichtig; Fehler korrigieren sich fast von allein. Anders, wenn es heute um wichtige Investitionsentscheide geht – eine falsche Bewertung kann fatale Folgen haben. Wo wir aufpassen müssen, dass künftig nicht nur noch die Grossen mitmachen.
Sie hatten sich auf die Fahne geschrieben, die Dienstleistungen für die Verbandsmitglieder auszubauen. Wie schaut es hier aus?
Sehr gut. Ich kann Ihnen fünf Beispiele geben. Erstes Beispiel ist der «Sensor», das Online-Tool für aktuelle Immobilienvergleichswerte, das bis 700 Abfragen pro Monat verzeichnet; ein zweites ist der Marktreport, der zweimal jährlich gegenwärtige Marktdaten an Referenzliegenschaften aufzeigt und in einem geschützten Downloadbereich für SIV-Mitglieder ergänzende Daten bereithält. Das dritte Beispiel ist das SIV-Stellenportal, für SIV-Mitglieder ebenfalls kostenlos. Das Schätzerverzeichnis, das neu auch für Nicht-Mitglieder zugänglich ist und erstmals für Transparenz in Sachen Aus- und Weiterbildung sorgt, ist das vierte Beispiel. Das fünfte Element für ein Plus an Service ist, was Sie aktuell in den Händen halten: das Zoom, das sich von der Verbandsinfo zum Fachmagazin weiterentwickelt hat.
Im Vorstellungs-Interview im Zoom von Februar 2011, das damals noch SIV Infos hiess, sagten Sie, Sie wollen den Verband national aufstellen. Und?
Die Absicht war absolut richtig. Wir sind irgendwo in der Hälfte stehen geblieben, was wahrscheinlich realistisch ist. Die Westschweiz tickt eigen und hat mit dem CEI einen guten «eigenen» Verband. Im Tessin haben wir eine beinahe 100-prozentige Marktabdeckung. Wichtig ist, das gilt nicht nur für das Bewertungswesen, national zu denken und dann die Leute in den Regionen auch machen zu lassen.
Klingt nach Sonnenschein-Amtsperioden. Wo hat’s geharzt?
Es war purer Sonnenschein (lacht). Spass beiseite. Geharzt hat es bei der Personen-Zertifizierung. Sie ist anerkannt und wird gebraucht. Wir haben es jedoch nicht geschafft, Kunden wie grosse Banken ins Boot zu holen. Sie bleiben bei den eigenen, für sie bewährten Akkreditierungen. Solange Firmen und Banken diese Zertifizierung nicht unterstützen, bleibt das Thema schwierig. Ein Thema für meinen Nachfolger …
Vorausgesetzt, Sie amteten eine weitere Periode als Präsident. Welche Themen wären für Sie zentral?
Die Aus- und Weiterbildung.
Am 30. April 2020 übergeben Sie das Zepter. Wie geht es Ihnen dabei?
Ich habe mich gefreut und war stolz, als ich das Amt 2011 übernahm, und ich freue mich jetzt, neun Jahre später, «den Präsidenten» weiterzugeben. Es waren gute neun Jahre. Jetzt ist Zeit, loszulassen und etwas Neues zu starten, Zeit auch für frisches Blut.
Das «frische Blut» heisst Silvan Mohler. Weshalb ist er der Richtige?
Silvan Mohler ist ein versierter Fachmann mit dem nötigen Rucksack und der richtigen Erfahrung. Ausserdem ist er neugierig. Alles wichtige Faktoren, die es braucht, um diesen Verband zu führen. Wir freuen uns, dass er sich das antut (lacht verschmitzt). Im Ernst: Ich wünsche ihm viel Freude und auch Spass in seiner neuen Rolle als SIV-Präsident.
Und was wünschen Sie dem SIV und seinen Mitgliedern?
Zwei Sachen: Erstens Offenheit und Mut, auf einander zuzugehen – ich denke da vor allem an andere Verbände; gemeinsam macht stärker. Und als Zweites wünsche ich den Bewertern Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit in Bezug auf die Aufträge. In einem funktionierenden Markt sind kritische Stimmen eher lästig. Der Bewerter, der kritisch anregt und auffordert zu reflektieren, gilt leider viel zu oft als Störefried, während sich Architekten und Bauherren gegenseitig bestärken. Bleibt hartnäckig und stark, liebe Bewerter, egal, wie rau der Wind ist.
Abschliessend: Ihre erste Amtshandlung, wenn Sie nicht mehr Präsident sind?
Ich werde einen Gin Tonic an der Hotelbar trinken.