Gemäss Artikel 12a der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG) stützt sich der hypothekarische Referenzzins «auf den vierteljährlich erhobenen, volumengewichteten Durchschnittszinssatz für inländische Hypothekarforderungen». Die Rechtsgrundlage sieht bei einer Hypothekarzinserhöhung in der Regel eine Mietzinsheraufsetzung vor (Art. 13). Eine Anpassung von einem Viertel Prozent etwa berechtigt zu einer Erhöhung bzw. Senkung der Mietzinse von höchstens 2 bis 3 Prozent je nach Stand des Hypothekarzinssatzes. Seit Inkrafttreten des heutigen Gesetzes hat sich einiges geändert; die Bereiche für den Hypothekarzinssatz wurden wie folgt festgelegt: weniger als 5 Prozent, zwischen 5 Prozent und 6 Prozent sowie mehr als 6 Prozent.

Der Versuch, eine langfristige Vision zu verankern, ist lobenswert. Trotzdem scheint es unwahrscheinlich, in den nächsten Jahren ein solches Niveau zu erreichen. Die Rechtsgrundlage sollte also geprüft werden.

Berechnung für Miet­zinssenkungen vorsichtig betrachten

Am 2. Juni 2018 veröffentlichte das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) einen unveränderten hypothekarischen Referenzzinssatz von 1,5 Prozent. Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, legten früher die Kantonalbanken den Zinssatz fest. Anfang der 2000er-Jahre lag dieser noch bei über 4 Prozent. Die Entwicklung deutet darauf hin, dass zahlreiche Mietverhältnisse möglicherweise von einer Mietzinssenkung betroffen sind. Für Bewerter gilt es, diesen Umstand einschätzen zu können und in ihrer DCF-Berechnung entsprechend einzubeziehen.

Zum besseren Verständnis betrachten wir zunächst die Immobi­lienverwaltungen, die aufgrund von Mieterwechseln oder neuer Mietverhältnisse täglich mit diesem Problem konfrontiert sind. Seit längerem liegt der hypothekarische Referenzzinssatz eher zum Vorteil der Mieter, sodass hauptsächlich Berechnungen für Mietzinssenkungen durchgeführt werden. Dies ist mit Vorsicht zu geniessen, denn die gesetzlichen Fristen und Bestimmungen der Mietverträge, ja sogar der Berechnungsmethode, können Besonderheiten aufweisen. Dazu gehören etwa die geteilte Indexierung zwischen Referenzzinssatz und dem Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) oder die Aufrechnung der effektiven Aufwendungen für die in den letzten Jahren durchgeführten Bauarbeiten.

Deshalb bedeutet ein über dem Referenzzinssatz liegender Mietzinssatz nicht automatisch, dass der Mieter Anrecht auf eine Mietzinsherabsetzung hat. Im Übrigen ist bei Geschäftsliegenschaften die Indexierung nur aufgrund des LIK häufiger.

Betrachtet man ausschliesslich den Zinssatz, lassen sich je nach ­Mieterstatus drei Situationen unterscheiden:

1. Ein Mieter hat einen hohen Zinssatz, jedoch keine Anpassung seiner Berechnungskriterien verlangt.
Das lässt den Schluss zu, dass der Mietzins älteren Datums ist und folglich ein klares Senkungsrisiko besteht. Entwicklungsaussichten, die nur den Zinssatz einbeziehen, beruhen auf dieser Überlegung, obschon der aktuelle Mietzins wahrscheinlich unter dem marktüblichen Niveau liegt.


2. Ein Neumieter hat einen auf dem neusten Zinssatz von 1,5 Prozent basierenden Mietzins.
Auf den ersten Blick erscheinen die Indexierungsaussichten positiv, denn eine Erhöhung des Zinssatzes hätte eine Mietzinsheraufsetzung zur Folge. Da es sich um ein neues Mietverhältnis handelt, ist der Mietzins zwingend (von Ausnahmen abgesehen) so nah wie möglich am marktüblichen Niveau. Mit einer automatischen Anwendung besteht die Gefahr, dass der Mietzins nicht mehr dem Markt entspricht. Das verschärfte das Solvenzrisiko und/oder könnte den Wegzug einzelner Mieter bedeuten. Die Folge wäre Leerstand. Der Zinssatz liegt also auf dem Tiefststand, während der Mietzins die maximale Höhe erreicht.


3. Ein Mieter hat kürzlich durch ein Herabsetzungsbegehren die Senkung seines Zinssatzes auf 1,5 Prozent erwirkt.
Auch hier kann davon ausgegangen werden, dass das Mietverhältnis seit längerem besteht. Die Entwicklungsaussichten für den Mietzins sind sehr positiv, liesse er sich bei einer Zinssatzerhöhung automatisch und unabhängig von Überlegungen zur Marktüblichkeit anpassen. Da der Mieter bereits früher einen höheren Mietzins bezahlte, wäre auch die Solvenz hier kein Thema.

Miete für fünf Jahre fix im Raum Genf

Die Anzahl der Mietzinsen mit Anpassungspotenzial, ohne dass im Gegenzug Marktrisiken bestehen, ist beschränkt. Für Experten liegt die Schwierigkeit darin, diesen Anteil zu ermitteln. Das gestaltet sich umso komplexer, da keine Statistik vorhanden ist, auf die man sich abstützen könnte. Trends oder allgemeingültige Regeln zu bestimmen, ist nahezu unmöglich, da Eigentümer oder Vermieter die Indexierungsbedingungen und die Art des Mietverhältnisses mit ihren Mietern frei wählen können. Vereinzelt lassen sich regional oder kantonal bedingte Trends ausmachen. So bevorzugt man im Raum rund um den Genfersee ein auf fünf Jahre fest abgeschlossenes indexiertes Mietverhältnis, während in der Deutschschweiz eher der paritätische Mietzins zur Anwendung kommt.

Eine Änderung des Referenzzinssatzes hat im Raum Genf folglich keine Auswirkungen auf den Mietzins während der gesamten Vertragsdauer, er kann frühestens nach fünf Jahren realisiert werden. Demgegenüber besteht beim paritätischen Mietzins jedes Jahr die Möglichkeit der Mietzinsanpassung. Je nach Kanton bleiben die behördlich kontrollierten bzw. subventionierten Mietverhältnisse von Indexänderungen während der Kontrolldauer unberührt (Fall Genf).

Exkurs über die Entwicklung der Indizes

Während der Referenzzinssatz seit seiner Einführung durch das BWO im September 2008 stetig gesunken ist, entwickelte sich sein Pendant unterschiedlich (s. Grafik). Vergleicht man die Entwicklung der beiden Indizes unter Beibehaltung der Prozentverhältnisse, lässt sich lediglich ein loser Zusammenhang erkennen. Die Differenz nimmt fast kontinuierlich zu (s. farbige Fläche). Die Mietzinsentwicklung ist folglich nicht identisch und hängt vom Index oder von der Kombination der Indizes für die Mietzinsberechnung ab.

Trotzdem gibt es viele Miethauseigentümer, die in Bezug auf die Entwicklung der Mietsituation ihrer Immobilie(n) sehr optimistisch sind. Dies, weil sie von einem Anstieg des Zinssatzes ausgehen und daraus eine systematische Mietzinserhöhung ableiten. Hier ist eine differenzierte Betrachtungsweise gefordert. Es sollten nicht nur die Hypothekarzinssätze aller Mietverhältnisse analysiert werden, sondern Mietzinsvergleiche zum aktuellen Stand in der Region durchgeführt werden (Berechnung der Mietreserve). Einen Ertragsparameter einzuführen, der lediglich vom Referenzzinssatz abhängig ist, ist daher nicht richtig resp. unzureichend. Es braucht eine feinere Gewichtung.

Reale Marktgegebenheiten miteinbeziehen

Hier lohnt sich ein Blick auf die Mietertragsprognose gemäss DCF-Methode. Die Festlegung der Ertragsparameter erfolgt oft in Verbindung mit diesem Indexierungsfaktor. Je grösser jedoch der Zeithorizont, desto fehleranfälliger ist die Mietzinsindexierung, desto ungenauer ist sie aufgestellt. Deshalb wird die Entwicklungsprognose für Mietzinserträge in der Regel unter Einbezug weiterer Komponenten wie Mietreserve, wirtschaftliche und demografische Faktoren (BIP, Arbeitslosenquote usw.) oder auch Mieterwechsel erstellt.

Die Abhängigkeit der Mietzinsen vom Hypothekarzinssatz lässt sich so in Grenzen halten. Für Experten gilt: Vorsicht walten lassen. Denn Zinssatzrisiko, mit dem nahezu jeder Vermieter zu rechnen hat, und reale Gegebenheiten auf dem Markt unterscheiden sich nach wie vor, teils bedeutend. Der Referenzzinssatz dient auch als Berechnungsgrundlage für die Ermittlung eines missbräuchlichen Ertrags oder einer zulässigen Heraufsetzung aufgrund der wertvermehrenden baulichen Massnahmen. Dies führt zu Ungereimtheiten wie zum Beispiel die für Mehrfamilienhäuser zugelassene Rendite von 2 Prozent (Referenzzinssatz +0,5 Prozent). Mittelfristig wird deshalb eine Revision der VMWG unerlässlich sein.

Es macht keinen Sinn zu behaupten, der budgetierte Mietertrag steige automatisch; nicht, wenn die Zinssätze, die den Mietverhältnissen zugrunde liegend auf dem Tiefststand sind. Das Verständnis hierfür ist wichtig, damit verhindert wird, dass der Mietertrag ständig zunimmt, während der Markt die Mietzinshöhen nicht absorbieren kann. Und: Warum sollte nicht auch eine Erhöhung des Hypothekarzinssatzes zu einer allgemeinen Mietzinssenkung führen können, wenn man die makroökonomischen Mechanismen in Betracht zieht?

Abbildung 1:

Entwicklung des Zinssatzes

Abbildung 2:

Landesindex der Konsumentenpreise im Vergleich zum Referenzzinssatz

Alexandre Baettig

Immobilienschätzungsexperte bei Acanthe SA und Mitglied des CEI-Komitees; Master in Wirtschaftswissenschaft und Diplom des Instituts d’Études Immobilières IEI in Genf