Die Corona-Krise ging am Schweizer Transaktionsmarkt für Wohnimmobi­lien nicht spurlos vorbei: Im ­April 2020 – mitten im Lockdown – lag die Zahl der inserierten Eigentumswohnungen um mehr als zehn Prozent unter dem Vor­monat. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass sich die Wohneigentumsmärkte in der Krise behaupten, wie Wüest Partner in einem Analyse­papier schreibt:¹ Das Interesse an Wohneigentum sei in der Schweiz generell gross und die Finanzierung attraktiv. Einzig die Preise für Eigentumswohnungen dürften wegen der ge­trübten Wirtschaftsprognosen leicht sinken. Allerdings sei das Angebot «vielerorts begrenzt». Für Einfami­lienhäuser sei das schon länger der Fall, nun sei dies wegen geringer Neubautätigkeit auch bei Eigentumswohnungen zu erwarten.

Das Einfamilienhaus: der ­unerreichbare Familientraum

«Das Einfamilienhaus bleibt der Wohntraum vieler Familien. Doch der Schweizer Mittelstand wird sich diesen Traum bald einmal nicht mehr leisten können», sagt der selbstständige Immobilienbewerter und -entwickler Jürg Messmer, Inhaber der Swiss Rees GmbH im thurgauischen Erlen. Dieser Umstand ist teilweise den sehr hohen Tragbarkeitsanforderungen für Hypotheken geschuldet (siehe Box). Messmer sieht darin eine grosse Diskrepanz zum seit Langem anhaltenden Tiefzinsniveau. Viele Private würden darum auf günstigere Eigentumswohnungen ausweichen, die sie sich noch eher leisten können. «Deren Angebot ist zudem in vielen Regionen der Schweiz auch noch intakt», sagt Messmer.

Abgesehen davon, dass das Einfamilienhaus im Grünen für viele aus finanzieller Sicht unerreichbar wird, ist es wohl aufgrund der sich laufend verschärfenden raumplanerischen Vorschriften auch ein Auslaufmodell, sagt Immobilienentwickler Jürg Messmer. «Bauland ist rar und wird zukünftig noch rarer, die Raumplanung verlangt eine bauliche Verdichtung und es werden neu Mindestnutzungen pro Grundstücksfläche gefordert. Die Verdichtung im Bauen und der Verzicht auf ein Eigenheim kann aber durchaus eine gesellschaftliche Unzufriedenheit hervor­rufen.» Diese sei aus seiner Sicht so nicht wünschenswert und sei bis anhin im Kontext noch nicht diskutiert worden. Messmer schätzt, dass der Eigentums­anteil gesamtschweizerisch gesehen wie bis anhin nur moderat steigen werde. «Die Schweiz bleibt wohl oder übel auch zukünftig ein Volk von Mietern.»

Die Schweiz bleibt wohl oder übel auch zukünftig ein Volk von Mietern.

Die dreiwöchige Schockstarre

Die Corona-Krise spürten im Transaktionsmarkt auch Immobilienbewerter in KMUs. «Während des Lockdowns herrschte eine dreiwöchige Schock­starre bei Käufern. Gleichzeitig haben viele Verkäufer ihre Angebote zurückgehalten», sagt Rolf Schmid, leitender Immobilienbewerter der UBV Immobi­lien Treuhand in Uetikon am See. Wegen allfälliger wirtschaftlicher Auswirkungen von Corona sei eine anhaltende Unsicherheit zu spüren. «Weil die Finanzierung attraktiv bleibt, wird sich bestehendes Wohneigentum im unteren bis mittleren Preissegment trotzdem gut verkaufen», sagt Schmid. Er macht seit 2006 Bewertungen für Private und für Banken. Im immer stärker von Datenanalysen geprägten Transaktionsmarkt sei regionales Wissen ein wichtiger Faktor. «Viele Bewerter bei Banken oder bei grossen Immobilienfirmen haben keine Zeit, um sich Objekte vor Ort anzuschauen. Sie setzen stattdessen auf Bewertungen, die sie am Computer erstellen.» Er vermisse bei diesen Schätzungen aber oft die «kritische Einordnung und Überprüfung der Zahlen, die ein Algorithmus nach hedonischer Methode erstellt hat». Gerade bei einer sich anbahnenden Transaktion von Wohneigentum sei es wichtig, die Angaben im Inserat zu überprüfen. «Zwischen tatsächlicher und angegebener Wohnfläche etwa besteht oft eine Diskrepanz, weil beispielsweise Dachschrägen, Zwischenwände und/oder Aussenmauern dazugerechnet werden.»

Besitzmüdigkeit auch beim Wohnen

Doch geht es nach den Thesen des Gottlieb Duttweiler Instituts, so wird zumindest in der urbanen Schweiz der Drang nach Wohneigentum, das alle Anforderungen erfüllt, abnehmen. In einem 2018 veröffentlichten Papier² schreibt das GDI etwa, dass im digitalen Zeitalter in Städten und Agglomerationen immer mehr Wohnfunktionen ausgelagert werden, während in den eigenen vier Wänden nur noch das Basisangebot genutzt wird. Gleichzeitig sollen Technologien wie sprachgesteuerte künstliche Intelligenz das Wohnen individueller gestalten. Antreiber für diese Überlegungen sei die Grundsatzfrage, «wie Wohnen in einer Welt aussehen wird, deren Bewohner immer zahlreicher, urbaner, erlebnishungriger, besitzmüder, mobiler und individueller werden».

Tragbarkeit von Hypotheken: Banken haben wenig Spielraum

Viele Privatpersonen sind aus dem Transaktionsmarkt für Wohneigentum ausgeschlossen, weil sie die Tragbarkeitskriterien für eine Hypothekenvergabe nicht erfüllen. Die Vorgaben für die Kriterien leiten sich aus der Selbstregulierung der Schweizerischen Bankier­vereinigung (SBVg) ab. Diese besagen, dass Schweizer Banken die Tragbarkeit anhand nachhaltiger Einkommen und Aus­gaben zu berechnen haben. Zur Berechnung der Zins­aufwände soll ein langfristiger, kalkulatorischer Zinssatz ­verwendet werden. Im Bei­spiel­fall der Thurgauer Kantonalbank (TKB) beträgt der ­kalkulatorische Zinssatz fünf Prozent. «Diese fünf Prozent sind historisch gewachsen. Sie bestehen als Richtgrösse seit den 1990er-Jahren, als hohe ­Hypothekarzinsen herrschten», sagt René Gertsch, Leiter der internen Revision der TKB. Heute dienten die fünf Prozent als Puffer, der auch bei steigenden Zinssätzen die Tragbarkeit sicherstellt. Die Schweizer Banken würden den kalkulatorischen Zinssatz im Einklang mit ihrer jeweiligen Risiko­politik festlegen, sagt Gertsch. Einige würden einen tieferen Zinssatz als die fünf Prozent anwenden. Allzu viel Spielraum haben die Banken aber nicht. «Würde eine Bank zur Berechnung der Tragbarkeit mit markant tieferen Zinssätzen rechnen, würde sich der Regulator wohl relativ schnell einschalten», sagt Gertsch. Allgemein setzte die FINMA im Bereich des kalkulatorischen Zinssatzes aber auf die Selbstregulierung der Bankenbranche. (upz)

  1.  Wüest Partner. «Coronavirus. Einschätzung der kommenden Entwicklungen.» www.wuestpartner.com
  2.  Gottlieb Duttweiler Institut. «Microliving. ­Urbanes Wohnen im 21. Jahrhundert.» www.gdi.ch