60% fossile Heizungen bei Wohnbauten

25% Bereitschaft zur Erneuerung

NEUES ENERGIEGESETZ

In der Schweiz verursachen Öl- und Gasheizungen rund 40 Prozent der CO2-Emissionen. Die vom Zürcher Kantonsrat am 19.April 2021 beschlossene Änderung des Energiegesetzes bezweckt die Förderung einer umweltschonenden, wirtschaftlichen und sicheren Energieversorgung. Die Gesetzesänderung sieht vor, dass Öl- und Gasheizungen von bestehenden Bauten am Ende ihrer Lebensdauer durch ein klimaneutrales Heizsystem ersetzt werden müssen. Elektroheizungen und -boiler müssen bis 2030 ersetzt werden. Als klimaneutrale Heizsysteme kommen meistens Wärmepumpen, Fernwärme oder Holzheizungen zum Einsatz. Auch Biogas-Lösungen sind zulässig.

Herr Regierungsrat Neukom, es ist ein paar Monate her seit dem Entscheid des Zürcher Stimmvolks für das neue Energiegesetz. Wie gross ist der Enthusiasmus in Ihrer Direktion?

Ein so deutlicher Volksentscheid ist sehr motivierend und stützt unsere Arbeit in den Bereichen Energiewende und Klimaschutz. Unser Ziel ist es, das geänderte Gesetz jetzt schnellstmöglich in Kraft zu setzen. Bis Mitte Jahr sollten wir das schaffen.

Macht ein deutliches Ja die Umsetzung einfacher?

Nun, grundsätzlich gilt: Ein Ja ist ein Ja – egal wie hoch es ausfällt. Aber natürlich fällt es leichter, ein Gesetz umzusetzen, das so breiten Rückhalt in der Bevölkerung geniesst.

Kritiker sagen, das neue Gesetz sei viel zu bürokratisch. Wie nehmen Sie ihnen den Wind aus den Segeln?

Die Verordnung zum Gesetz liegt bereits vor. Sie zeigt, dass der Regierungsrat das Gesetz mit Augenmass anwenden will. Umsetzen werden es die Gemeinden. Und da bin ich zuversichtlich, dass sie dies bürgerfreundlich tun werden. Zudem: Für all jene, die sowieso auf eine klimaneutrale Heizung umsteigen wollen, gibt es keinen Mehraufwand. Im Gegenteil: Mit einer zusätzlichen kleinen Verordnungsänderung plane ich, den Einbau von Wärmepumpen zu vereinfachen, indem sie anstatt der Bewilligungspflicht nur noch der Meldepflicht unterstellt werden.

Aus dem Gewerbeumfeld hört man, dass im Kanton Zürich zurzeit – Zitat: «überproportional viele» – Offerten für fossile Heizungen und Brennkessel nachgefragt werden. Befürchteten Sie eine solche Reaktion und was halten Sie davon?

Solche Übergangseffekte gibt es häufig bei der Einführung von neuen Regelungen. Jenen, die jetzt noch schnell eine Ölheizung einbauen möchten, rate ich, eine Kostenrechnung über 20 Jahre anzustellen. In vielen Fällen ist die Ölheizung auf lange Frist nicht günstiger. Zudem ist in Zukunft ein Haus mit einer Ölheizung klar weniger wert als ein Haus mit moderner, klimaneutraler Heizung. Auch aus dieser Perspektive ist es also nicht empfehlenswert.

Sie sagen, dass ein Haus mit einer Ölheizung klar weniger wert ist als ein Haus mit einer nachhaltigen Heizung. Weshalb ist das so?

Über kurz oder lang müssen in allen Bauten die Öl- und Gasheizungen durch klimaneutrale Heizungen ersetzt werden. Wer also heute ein Gebäude mit einer Öl- oder Gasheizung kauft, der weiss, dass hier Aufwand und Investitionen auf ihn zukommen. Daher wird ein Objekt mit fossiler Heizung weniger attraktiv sein als ein Objekt mit klimaneutraler Heizung. Kommt hinzu, dass die Betriebskosten eines Hauses mit Öl- oder Gasheizung höher sind im Vergleich zu den Kosten einer Wärmepumpe. Dies alles drückt auf den Wert der Immobilie.

Heisst das folglich: Je nachhaltiger ein Gebäude ist, je mehr Wert hat es?

Ganz so einfach ist es sicherlich nicht. Der wichtigste Faktor für den Wert einer Liegenschaft wird nach wie vor die Lage sein. Aber grundsätzlich kann Nachhaltigkeit den Gebäudewert positiv beeinflussen.

Heute sind im Kanton Zürich rund 120 000 Öl- und Gasheizungen in Betrieb, die rund 40 Prozent der klimabelastenden CO2-Emissionen verursachen. Das Gesetz verlangt, dass sie am Ende ihrer Lebensdauer ersetzt werden. Wie lange dauert das?

Sobald das Energiegesetz in Kraft ist, werden im Kanton Zürich voraussichtlich nur noch in wenigen Fällen neue Öl- oder Gasheizungen installiert. Die Lebensdauer einer Öl- oder Gasheizung beträgt rund 20 Jahre. Folglich dürfte der Gebäudebereich im Kanton Zürich bis etwa 2045 nahezu klimaneutral sein. Und dann ist es auch höchste Zeit dafür, um die Klimaziele von Paris zu erreichen.

Perspektivenwechsel: Stellen Sie sich vor, Sie seien ein Immobilienbewerter. Wie würden Sie nachhaltige Bauweisen und Lösungen in Ihre Bewertung einfliessen lassen?

Zuerst würde ich rechnerisch die Heizkosten über 20 oder 30 Jahre betrachten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Preis für CO2-Emissionen in diesem Zeitraum vermutlich steigen wird. Wenn ein Objekt eine fossile Heizung hat und bald ein Heizungsersatz ansteht, würde ich einen Teil der Investitionskosten in Abzug bringen. Hinzu kommen weitere Faktoren: Ich gehe davon aus, dass (zukünftige) Immobilienbesitzer – ähnlich wie bei Bioprodukten – auch bei nachhaltigen Gebäuden bereit sind, einen höheren Kaufpreis zu bezahlen.

Man sprach immer wieder davon, das Zürcher Energiegesetz habe Signalwirkung für andere Kantone. Spüren Sie das?

Ja. Nach dem Dämpfer des Nein zum nationalen CO2-Gesetz im Juni 2021 war das Ja zum Zürcher Energiegesetz für viele sehr motivierend. Es sind aktuell acht Kantone, die noch keine Regelung zum Heizungsersatz haben. Ich hoffe, dass es da nun auch vorwärts geht.

Martin Neukom

Martin Neukom (1986) ist seit 2019 Zürcher Regierungsrat (Grüne Partei) und gilt als wichtige Stimme des Gremiums. Nach einer Lehre als Maschinenzeichner studierte Neukom an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW Mechatronik und doktorierte später an der Universität Augsburg über Solarzellen. Zum Ausgleich geht Martin Neukom regelmässig Joggen und fährt Mountainbike.

  1. Im November 2021 wurde über das neue Energiegesetz abgestimmt. Die Zürcher Bevölkerung sagte mit 62,6 Prozent deutlich Ja dazu.