Kolumnisten, diese gewandten Wortdrechsler, diese feinsinnigen Provokateure, dürfte es in den wenigsten Blättern geben. Obwohl gerade diese – hin und wieder – einem Blatt, das seit TikTok und Konsorten schwach auf der Lunge geworden ist, zu einem veritablen Boost verhelfen können. Sind denn das Thema oder die Themen knackig. Reifere Menschen erinnern sich an Marta Emmen­egger, die als «liebe Marta» der Nation in ihrer Kolumne mit sexueller Aufklärung auf den Sprung half – in den 80er- und 90er-Jahren allerdings, als die Primaner in der Pause hinter dem Schulhaus noch keine Sexfilmchen austauschten. Die Sexkolumne im Blick hielt sich während vierzig Jahren. Unglaublich, aber wahr.

Doch jedes Ding hat seine Zeit (­Prediger 3, 1–11). Leser der NZZ am Sonntag werden womöglich auch feststellen, dass beim Verfasser der Kolumne «Zugabe» gelegentlich die Brennstäbe ausgewechselt werden sollten. Der einfache Bewerter jedenfalls hat diesem Kolum­nisten vor einiger Zeit sein Bedauern mitgeteilt, dass für seinen Lesegeschmack die «Zugabe» früher regelmässig den Sonntag erheitert hätte, und dass solches in letzter Zeit eher rar geworden sei. (Danke, er hat es ihm nicht übelgenommen.) Auch Deville hat sich nicht vierzig Jahre in der SRF-Sonntagabend-Kiste gehalten. Schade – oder nicht?

«Der Leser wurde gewarnt, dass man auf diesem Sofa nicht unbedingt bequem liege.»

Sie haben, getreue Leserschaft, das letzte Prüfsofa vor Augen. Unglaublich, aber wahr. Im Juni 2006 erstmals zu lesen in diesem Heftli, welches damals noch den biederen Namen SIVinfos trug, ist es mit dieser Lebensdauer meilenweit hinter den 40 Jahren der lieben Marta geblieben. Zum Konzept des Prüfsofas hatte ein damaliges Vorstandsmitglied des SIV 2006 vorsichtshalber eine «redaktionelle Einführung» verfasst mit dem tiefsinnigen Titel «Es ist nicht alles Gold, was glänzt», und in dieser wurde der Leser bereits gewarnt, dass man auf diesem Sofa nicht unbedingt bequem liege. Ziel war, dass nicht das Sofa, sondern das Daraufgelegte quietschen sollte, was dann auch – weitgehend – so eingehalten worden ist. Sie erinnern sich: die Hedoniker, die Makler, die Entwertungstheorie des SIV, die Rütli-Schätzer, die Daten-Oligarchen – auch Daten-Verwurster genannt, der BIM-Hype, kurz, es gab immer etwas im Bewertungsalltag, das nicht Gold war, aber glänzte.

Preis und Wert sind nicht ­dasselbe

Natürlich sind auch heute grosse und unbequeme Fragen der Bewertung noch unbeantwortet. Etwa zum Wert-Preis-Duo. «Heute kennen wir von allem den Preis und von nichts den Wert» ist kein Zitat aus den «Grundlagen der Immobilienökonomie» (2023), sondern eines von Oscar Wilde (1854–1900). Und Warren Buffet – der lebt noch – meint, er habe bei Benjamin Graham gelernt, der Preis sei, was man bezahle, und der Wert das, was man dann erhalte. Auch mit der berühmtberüchtigten Huhn-Ei-Frage kommt man bei Wert und Preis nicht so recht weiter. In der Genesis hat Gott ein Huhn getöpfert. Obwohl ein Ei einfacher gewesen wäre, würde man meinen. 

Dem Prüfsofa würde also, bei Lichte betrachtet, das Benzin nicht ausgehen (der Strom eher). Aber auch das beste Sofa hält nicht ewig. Der Stoffbezug ist abgewetzt, hat Flecken – von was auch immer. Die Polsterung ist flach geritten, die Federn sind ausgeleiert, das Hängemattensyndrom unübersehbar. Fischer Bettwarenfabrik auf der Halbinsel Au könnte nicht helfen.

Das ist das letzte Quietschen des Prüfsofas. Oder, wie man das bei Todesanzeigen in den Zeitungen immer wieder liest, die «Danksagung (statt Karten)» des einfachen Bewerters. Danke also, geschätzte Leserschaft.

Martin Frei

MSc ETH in Architektur / SIA, MAS ETH in Management, Technology and Economics / BWI, Zürich