Gemeinden mit über 20 Prozent Zweitwohnungen

Seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über Zweit­wohnungen (ZWG) 2016 dürfen Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent grundsätzlich keine neuen Zweitwohnungen mehr bewilligen. Das ZWG lässt jedoch ­Ausnahmen zu – etwa die Erstellung touristisch bewirtschafteter Zweitwohnungen. Sämtliche blau markierten Gemeinden unterliegen den einschränkenden Bestimmungen des ZWG. Die Schweiz zählt insgesamt 340 solcher ­Gemeinden.

 

Quelle: Bundesamt für Raumentwicklung ARE, geo.admin.ch

Preisentwicklung Erst- und ­Zweitwohnungen Graubünden

Nach einem Rückgang zwischen 2013 und 2016 erfolgte bei den Zweitwohnungen in Graubünden im Zeitraum von 2019 bis 2023 ein starker Anstieg der Transaktionspreise. Zurückzuführen ist ­dieser unter anderem auf die verstärkte Nachfrage durch die Covid-19-Pandemie. Bei den Erst­wohnungen setzte der Preisdruck mit einer Verzögerung von rund zwei Jahren ein. Zu erklären ist der markante Preisanstieg bei den Erstwohnungen ab 2021 damit, dass Einheimische zunehmend in Konkurrenz mit zahlungskräftigen auswärtigen Käuferinnen und Käufern stehen.

Quelle: Fachhochschule Graubünden, ITF, Monitor 3: Preisentwicklung von Zweitwohnungen, April 2024

Lex Candinas schafft mehr Zweitwohnungsfläche

Erstwohnungen, die vor 2012 erstellt wurden, ­durften schon bis anhin zu Zweitwohnungen umgewandelt werden. Umstritten war hingegen lange Zeit, ob bei altrechtlichen Wohnungen in Ferienorten eine Vergrösserung der Fläche zulässig ist. Das ­Bundesgericht entschied 2020, dass die Fläche nur im Rahmen von Erneuerungen oder Um­­bauten erweitert werden darf. Der auf den 1. Oktober 2024 in Kraft gesetzte Artikel 11 des Bundes­gesetzes über Zweitwohnungen (ZWG) – nach seinem Initianten Nationalrat Martin Candinas als «Lex Candinas» bezeichnet – erweitert nun die Ausbaumöglichkeiten. So dürfen altrechtliche Wohnungen auch bei einem Abbruch und Wiederaufbau neu um 30 Prozent der Hauptnutzfläche erweitert werden. Ebenso ist nun im Rahmen einer Vergrösserung eine Auf­teilung in mehrere Wohneinheiten erlaubt. Zulässig ist neu zudem die Verlagerung von Teilen einer ­aufgesplitteten Wohnung – unabhängig davon, ob sie erweitert wurde – in ein zusätzlich erstelltes Gebäude, das nahe beim Ursprungsbau zu stehen kommt (in der Regel auf derselben ­Parzelle).

Grosse Preisunterschiede im Alpenraum

Verbier (VS) ist mit mindestens 21’500 CHF/m2 für eine Zweitwohnung im gehobenen Segment die teuerste touristische Destination des Schweizer Alpenraums. Die touristischen Regionen verzeichnen nach wie vor steigende Preise, jedoch nimmt die ­Preis­dynamik seit 2023 etwas ab.

Quelle: UBS. Veröffentlicht im UBS Alpine Property Focus 2024.

Wohnungsnot in Tourismusgemeinden

Das Zweitwohnungsgesetz hat unter anderem dazu geführt, dass vermehrt altrecht­liche Erstwohnungen in Zweitwohnungen umgewandelt wurden – mit negativen Auswirkungen für Einheimische und Angestellte im Tourismus­sektor: Zwischen 2020 und Herbst 2024 ist in den Schweizer ­Tourismusgemeinden die durchschnittliche Leerwohnungsziffer von 1,5 auf 0,78 Prozent gesunken. Ab einem Wert von 1 Prozent oder weniger spricht man von einer ­Wohnungsnot.

Quellen: Wüest Partner AG, Bundesamt für Statistik

Kommentar von Philippe Lathion

«War die die Gewählte Lösung wirklich die beste?»

Am 11. März 2012 nahm das Schweizer Volk die Initiative der Fondation Franz Weber, «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!», an. Seit dem 1. Januar 2016 verbietet das Zweitwohnungsgesetz (ZWG) allen Gemeinden mit mehr als 20 Prozent Zweitwohnungsanteil den Bau neuer Zweitwohnungen. Was lässt sich fast zehn Jahre nach Annahme über diese Initiative sagen?

Webers Vorstoss erfolgte zu einer Zeit, als der Zweitwohnungsmarkt in allen Alpendestinationen der Schweiz ein starkes Wachstum verzeichnete und das Angebot nicht mit der Nachfrage Schritt halten konnte. Vor diesem Hintergrund kann man also durchaus zugeben, dass seine Bedenken berechtigt gewesen sein könnten. Aus heutiger Sicht stellt sich jedoch die Frage, ob die gewählte Lösung, nämlich in Bausch und Bogen alle Neubauten zu verbieten, die beste war. Nach den Grundsätzen des Marktes steigen die Preise massiv an, wenn trotz hoch bleibender Nachfrage in den Markt eingegriffen und das Angebot beschränkt wird. Die Umsetzung des ZWG hat diese Regel bestätigt, zumal die Nachfrage während der Coronapandemie weiter gestiegen ist.

Diese Situation begünstigt die Renovierung und den Weiterverkauf von Zweitwohnungen – was zur Folge hat, dass der Immobilienmarkt in alpinen Destinationen dank des ZWG noch nie so gut aufgestellt war wie heute. Davon profitieren viele Akteure, etwa Immobilienmakler und Behörden, die Handänderungsgebühren und hohe Grundstückgewinnsteuern einstreichen. Doch diese glänzende Medaille hat auch ihre Kehrseite: Je höher die Preise sind, desto weniger Interesse haben Eigentümer daran, ihre Zweitwohnung während ihrer Abwesenheit zu vermieten. Gerade auch deshalb sind die Besucherzahlen in vielen Destinationen zurückgegangen. Gleichzeitig gibt es heute keine geeignete Lösung, um den Bau neuer Mietbetten zu fördern.

Der richtige Mix aus Zweitwohnungseigentümern und Urlaubern ist jedoch unerlässlich, um eine vielfältige Tourismuswirtschaft aufrechtzuerhalten. Die Bedürfnisse der beiden Gruppen sind nicht deckungsgleich und richten sich nicht an dieselben Tourismus-Dienstleister. Das Gleichgewicht zwischen Eigentümern und Urlaubern wird demnach eindeutig vom ZWG bedroht, da es den Bau neuer Zweitwohnungen verhindert und zugleich keine Alternative bietet, um die Finanzierung von Betten zur Vermietung sicherzustellen.­

Zur Person
Philippe Lathion stammt aus dem Wallis und lebt jetzt in Genf. Er ist ­diplomierter Wirtschaftsprüfer und Gründer des Investmentfonds Mountain Resort Real ­Estate (SICAV), der hinter den fünf SWISSPEAK Resorts (­Meiringen, Brigels, Zinal, ­Vercorin und Hérémence) steht