Mieterschutzgesetz im Kanton Genf
Was manchenorts erst kürzlich eingeführt wurde, kennt man in Genf schon seit über 40 Jahren: ein Gesetz zur Kontrolle der Mietzinsen. Das «Loi sur les démolitions, transformations et rénovations des maisons d’habitation» (LTDR) existiert seit 1983. Dieses soll der Mieterschaft ermöglichen, auch nach Renovierungsarbeiten zu erschwinglichen Preisen in ihren Wohnungen bleiben zu können. Im Rahmen einer Renovation muss der Vermieter zusammen mit dem Baugenehmigungsantrag ein Formular zur Berechnung der zulässigen Mieten nach Abschluss der Renovation einreichen. Nicht nur werden die neu festzulegenden Mieten damit automatisch kontrolliert, sondern es wird zusätzlich auch eine zeitlich beschränkte Obergrenze für die Mieten definiert – je nach Umfang der Renovationsarbeiten befristet auf drei, fünf oder zehn Jahre. Eine Mietzinskontrolle werde in Immobilienkreisen gerne als bürokratisches Monster dargestellt, schreibt der Schweizerische Mieterverband (MV). Der Fall Genf beweise das Gegenteil. Ausserdem schütze das Gesetz vor Renditekündigungen. Darüber hinaus bezeichnet der MV den Vorwurf, dass das LTDR zu einem Renovationsstopp geführt habe, als Mythos. Die Handelszeitung widerspricht dem: Investoren würden sich in Genf aufgrund des Gesetzes nicht mehr engagieren, weshalb der Immobilienbestand zusehends verfalle. Zum gleichen Schluss kommt der Thinktank Avenir Suisse: «In der Realität verhindert das LTDR Renovationen und fördert den Verfall von Mietflächen.» Beide kritischen Stimmen finden zudem, dass vom Genfer Gesetz nur langjährige Mieter finanziell profitieren würden – die Angebotsmieten für neue Vertragsverhältnisse hingegen seien meist sehr hoch.
«Investoren engagieren sich in Genf aufgrund des Gesetzes nicht mehr, weshalb der Immobilienbestand zusehends verfällt.»
Handelszeitung, 02.11.2023
Wohnschutzinitiative im Kanton Zürich
«Jede Woche erhalten Mieterinnen und Mieter einer anderen Siedlung das Kündigungsschreiben, weil Immobilienkonzerne das Doppelte verlangen können, wenn sie die Wohnungen luxussanieren und neu vermieten. Das muss jetzt endlich aufhören.» So begründet SP-Nationalrätin Jacqueline Badran die Notwendigkeit der im Februar 2024 für den Kanton Zürich eingereichten Initiative «Bezahlbare Wohnungen schützen, Leerkündigungen stoppen» – oder kurz: «Wohnschutzinitiative». Ausgestaltet ist die Initiative nach ihrem Vorbild im Kanton Genf. So soll künftig auch im Kanton Zürich bei Liegenschaften, die saniert, vergrössert oder durch einen Neubau ersetzt werden, die Baubewilligung an eine Mietzinslimite geknüpft sein. In einem Beitrag hat sich die NZZ mit der Initiative kritisch auseinandergesetzt. Den Vermietern wolle man damit beibringen, auf Renditen zu verzichten, schreibt die Autorin. Die Kosten für die Arbeiten würden die Eigentümer nicht in absehbarer Zeit amortisieren können, weshalb statt umfassend zu sanieren nur jeweils das Nötigste gemacht werde. Ausserdem befürchtet die NZZ im Kanton Zürich die Verstärkung des sogenannten Lock-in-Effekts, wie er in Genf auch beobachtet worden sei: Wer eine Wohnung hat, gibt sie nicht mehr so schnell her.
«Den Vermietern will man damit beibringen, auf Renditen zu verzichten.»
Neue Zürcher Zeitung, 02.02.2024
Wohnbauförderung in der Schweiz
Mit der Einführung eines entsprechenden Verfassungsartikels wurde 1973 die Wohnbauförderung zu einer Daueraufgabe des Bundes. Das Ziel: Die Sicherstellung von preisgünstigem Wohnraum für Familien und Haushalte mit eingeschränkten finanziellen Mitteln. Im Gegensatz zu früher vergibt der Bund hierzu heute keine Direktdarlehen mehr. Derzeit übernimmt der Bund Bürgschaften und Rückbürgschaften oder hat etwa für den Bau und Erwerb von preisgünstigem Wohnraum einen Fonds mit Bundesmitteln geäufnet. Eine Stiftung verwaltet diesen Fonds treuhänderisch. Die Förderung beschränkt sich auf indirekte Hilfen für Wohnbaugenossenschaften und andere gemeinnützige Wohnbauträger. Diverse Kantone und Städte setzten ausserdem eigene Förderprogramme um. Gemäss dem Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz wirkt diese sogenannte Objekthilfe nachhaltig – die Wohnungen blieben auf Dauer preiswert. Auch sei ab einem gewissen Umfang eine Preisdämpfung auf dem Markt zu erwarten. Kritiker wiederum befürchten, dass die Objekthilfe zu Marktverzerrungen führen könnte: Bei einem hohen Anteil geförderter Wohnungen sei es denkbar, dass sich die renditeorientierten Investoren zurückziehen. Ebenso seien Mitnahmeeffekte möglich. Also, dass Objekte von der Förderung profitieren, die eigentlich auch ohne staatliche oder kantonale Unterstützung erstellt oder erneuert worden wären.
Reformpaket «Basel III»
Die Finanzkrise 2008, die unter anderem die Rettung der UBS durch den Staat nötig machte, war Auslöser für das Reformpaket «Basel III». Dabei geht es unter anderem darum, dass die Banken für gewisse Hypotheken neu mehr Eigenmittel hinterlegen müssen. Die Bestimmungen treten ab 2025 in Kraft. Und sie werden für einige Wohneigentümer Konsequenzen haben – insbesondere für Käufer und Eigentümer von Mehrfamilienhäusern. Entweder müssen sie einen höheren Eigenkapitalanteil einbringen. Oder es steigen, da die Banken bei einer Belehnung von über 60 Prozent selbst deutlich mehr Eigenkapital hinterlegen müssen, entsprechend auch die Kosten der Finanzinstitute. Diese dürften sie der Kundschaft in Form von höheren Hypozinsen weitergeben – was einen negativen Einfluss auf die Rendite von Anlageobjekten haben könnte. Dies wiederum wird voraussichtlich die Kaufpreiszahlungsbereitschaft von Investoren beeinflussen, die eine Fremdfinanzierung benötigen, und infolgedessen langfristig auch den Marktwert.
Kommentar zum Basler Wohnraumfördergesetz
Andreas Herbster
Geschäftsleiter Wohnstadt
Bau- und Verwaltungsgenossenschaft, Basel
Es ist einfach zu kommentieren, wenn man als Wohnbaugenossenschaft zufälligerweise einmal von einer Gesetzesänderung nicht direkt betroffen ist. Der Aufschrei war und ist gross in der Basler Immobilienwelt. Die aktuellen Effekte der neuen Wohnschutzgesetzgebung sind durchaus dramatisch: Sanierungen werden verschoben oder gar nicht realisiert, Arbeitsplätze im Baugewerbe sind in Gefahr. Viele grosse Bauherren verkaufen und verabschieden sich aus Basel. Gewisse Lockerungen sind zwar zu erwarten. Der Papierkram wird wahrscheinlich reduziert und neue Vorschriften werden energetische Sanierungen wieder fördern. Und trotzdem droht ein längerfristiger Schaden für das Wirtschaftszentrum der Region. Basel bietet vergleichsweise alte Bausubstanz. Nur gerade jede elfte Wohnung ist jünger als 24 Jahre, jede zweite Wohnung stammt aus der Zeit der Hochkonjunktur 1946 bis 1980. Wer etwas Moderneres sucht, versucht eine der wenigen neu gebauten Wohnungen zu ergattern oder weicht in die Agglomeration aus. Die grossen Investoren trifft man mit solchen Vorschriften nicht. Sie investieren anderswo oder sind froh, nicht sanieren zu müssen. Da die Nachfrage konstant hoch ist, steigt die Nettorendite der Vermieter vor allem dann, wenn weniger investiert werden muss. Die Wohnschutzvorschriften schützen wenige (vor allem langjährige Mieter) vor wenigen (unanständige Vermieter). Die meisten Wohnungssuchenden, vielfach auch weniger Privilegierte, werden die Rechnung bezahlen: Wer eine neue Wohnung braucht oder sucht – (das sind immerhin 15 Prozent aller Haushalte jedes Jahr) –, trifft auf ein kleineres und mit der Zeit schlechteres Wohnungsangebot. Bei 0,8 Prozent Leerstand – (das sind gerade mal 900 Wohnungen im ganzen Kanton) – ist es keine gute Idee, den Wohnungsbau auszubremsen. Der Basler Wohnschutz ist ein politisches Lehrstück: Eine formulierte Gesetzesinitiative wurde vom Stimmvolk beschlossen, ohne dass ein normaler Gesetzgebungsprozess stattgefunden hätte, in welchem gewählte Parlamentsmitglieder tragfähige Kompromisse suchen. Mit dem Resultat sind fast alle unzufrieden. Wie so oft ist «gut gemeint» eben nicht automatische «gut». Wohnungsnot bekämpft man nicht, indem man Investitionen in den Wohnungsbau unattraktiv macht. Städte funktionieren dann am besten, wenn erneuert und erweitert wird. Das war in der Geschichte immer so.
Die Genossenschaft WOHNSTADT ist ein gemeinnütziger Wohnbauträger in Basel. Sie engagiert sich seit 50 Jahren für eine sozial abgestimmte Wohnungspolitik mit fairen Mietpreisen. WOHNSTADT besitzt in der Region Basel 750 eigene Genossenschaftswohnungen.