Neue Spielregeln gelten seit Mai 2022 auf dem Mietwohnungsmarkt in Basel-Stadt: Grund dafür ist die vom Volk im November 2021 mit 53 Prozent Ja-Stimmen angenommene Wohnschutzinitiative. Die zugehörige Verordnung verlangt etwa, dass Kosten für die Sanierung von Wohnungen nur noch zu einem gegenüber den bisherigen Regelungen stark reduzierten Prozentsatz auf die Mieterschaft überwälzt werden. Der Aufschlag darf auch nicht mehr vom Hauseigentümer direkt vorgenommen, sondern muss von einer paritätisch zusammengesetzten Wohnschutzkommission bewilligt werden. Diese reguliert auch die Mietzinsen von Ersatzneubauten. Die geänderte Verordnung, die vom Mieterverband Basel-Stadt initiiert wurde, orientiert sich an Regeln, wie man sie in der Stadt Genf bereits seit 1983 kennt (siehe Beitrag). Die Verordnung gilt, solange die Leerstandsziffer 1,5 Prozent oder weniger beträgt – ausgenommen sind nur Luxusobjekte, gemeinnützige Wohnungen sowie Häuser mit weniger als vier Mieteinheiten. Aktuell beträgt der Leerstand in der Stadt Basel 0,8 Prozent.
Die Meinungen zur angepassten Verordnung sind in Basel geteilt und die Diskussion darüber wird emotional geführt: Während der Mieterverband die schärferen Regeln als gutes Mittel gegen steigende Mieten sowie Luxussanierungen lobt und der Ansicht ist, dass die Eigentümer zu Unrecht dagegen protestieren, tun sich Investoren schwer damit. Sie sehen die erforderlichen Renditen auf bestehenden Liegenschaften gefährdet und haben deshalb teilweise ihre Sanierungsprojekte auf Eis gelegt. «Es fühlt sich ein bisschen so an, als ob mitten in einem Fussballspiel plötzlich die Regeln geändert werden», sagt Munzur Halis, Leiter des Portfoliomanagements beim Asset Management der Baloise.
«Es ist, als ob mitten in einem Fussballspiel plötzlich die Regeln geändert werden.»
Munzur Halis, Baloise
Der Versicherungskonzern besitzt in Basel rund 1300 Mietwohnungen, was rund einem Prozent des gesamten Bestands im Stadtkanton entspricht. Dass Änderungen der Regeln für Investoren problematisch sein können, bestätigt auch Christian Kraft, Leiter des Kompetenzzentrums Immobilien an der Hochschule Luzern: «Die Verlässlichkeit von gesetzlichen Bestimmungen ist sehr wichtig, denn wenn jemand in den Mietwohnungsbau investiert, legt er seine Kalkulationen auf einen Zeitrahmen von 20 bis 40 Jahren aus.» (Siehe auch Interview)
Risiko Wohnschutzkommission
Geändert haben sich die Spielregeln in der Stadt Basel nicht nur für die Besitzer von Mehrfamilienhäusern, sondern auch für die Bewerter: «Wir müssen die bisherige Art der Bewertung von Liegenschaften hinterfragen, bei denen bald eine grössere Sanierung ansteht», sagt Daniel Peter, Inhaber der Basler Firma dp immobilienberatung und seit vielen Jahren vor Ort als Schätzer tätig. Man müsse derzeit Objekte vertiefter analysieren und mit der Besitzerschaft deren Pläne ausloten – vor allem im Hinblick auf Sanierungsarbeiten und ihre Finanzierung. Da nach den neuen Regeln bewertet werden müsse und die Kosten somit nur noch begrenzt auf die Mieterschaft überwälzt werden können, schätzt Daniel Peter konservativer als bisher und passt deshalb den Diskontierungssatz bei DCF-Bewertungen entsprechend an. Neben der reduzierten Möglichkeit zur Weitergabe von Investitionen kommt für ihn noch ein weiterer Risikofaktor hinzu, der die Bewertung beeinflusst. «Sämtliche Kosten der geplanten Arbeiten und ihre Umlegung auf den Mietzins müssen von der Wohnschutzkommission vor Baubeginn genehmigt werden – zusätzlich zur normalen Baubewilligung», sagt Peter. Lehne die Kommission das Vorhaben ab oder werde die Höhe der Kostenüberwälzung nach unten angepasst, bleibe die Besitzerschaft entweder auf dem Planungsaufwand sitzen oder müsse umplanen. «Dieses finanzielle Risiko muss ebenfalls eingerechnet werden», sagt Schätzer Peter.
Wertberichtigungen sind möglich
Die neue Verordnung hat bei institutionellen Liegenschaftsbesitzern bereits zu einem Umdenken geführt – vor allem bei Objekten, die eigentlich vor einer grosszyklischen Erneuerung stehen: «Wir haben Projekte vorerst gestoppt, schieben Erneuerungsvorhaben auf der Zeitachse hinaus, passen die Bewertungsparameter entsprechend an und fahren den Unterhalt auf das gesetzlich Erforderliche hinunter», sagt Munzur Halis von der Baloise. Damit versucht das Unternehmen trotz neuer Spielregeln die Rendite auf einem für ihre Kundschaft – zu der hauptsächlich Pensionskassen zählen – tragbaren Niveau zu halten. «Wenn wir sanieren wie bisher, aber nur noch einen kleinen Teil der Kosten umlegen können, sinken die Renditen gemäss unseren Berechnungen zum Teil bis auf ein Prozent», sagt Halis.
«Wir müssen die bisherige Art der Bewertung von Liegenschaften hinterfragen.»
Daniel Peter, dp immobilienberatung
Das sei zu wenig für eine Pensionskasse, die aufgrund anderer Regulierungen das Geld ihrer Versicherten entsprechend anlegen und verzinsen müsse. Gemäss dem Urteil des Bundesgerichts von 2020 waren bis anhin Renditen erlaubt, die maximal zwei Prozent über dem Referenzzinssatz liegen – aktuell wären dies 3,75 Prozent.
Ob es aufgrund der nun teilweise wesentlich tieferen Renditen in Basel mittelfristig zu Wertkorrekturen bei Mietliegenschaften kommt und wie gross diese sein könnten, lässt sich derzeit noch nicht präzise abschätzen.
«Wertkorrekturen hängen stark davon ab, wie bald die Liegenschaften saniert werden müssen.»
Susanne Jeger, Pensionskasse Basel-Stadt
«Das hängt stark davon ab, wie bald die einzelnen Liegenschaften in einem Portfolio saniert werden müssen», sagt Susanne Jeger, Vorsitzende der Geschäftsleitung der Pensionskasse Basel-Stadt. Die UBS hingegen hat in ihrem «Real Estate Focus» vom April 2024 bereits eine Abschätzung vorgenommen und geht von Wertberichtigungen zwischen 10 und 15 Prozent aus. Der Hauseigentümerverband Basel-Stadt errechnete Anfang Jahr eine Anpassung nach unten von rund 5 Prozent. Basis dafür bildet die Annahme, dass der Kapitalisierungssatz aufgrund der neuen Spielregeln von 4,5 auf 4,75 Prozent angehoben werden muss. Dadurch würde sich der Gesamtwert der Mietwohnungsliegenschaften in der Stadt Basel von 30,82 auf 29,19 Milliarden Franken reduzieren.
Ändern sich die Regeln nochmals?
Solche Zahlen verunsichern Besitzer von Wohnimmobilien und das bekommen auch die Bewerterinnen und Bewerter zu spüren. «Die Zahl der Bewertungen für private Eigentümer von Mietliegenschaften – etwa Erbengemeinschaften – hat zugenommen, da viele wissen wollen, wo sie stehen», sagt David Erny, Partner bei Hecht Immo Consult in Basel.
«Die Zahl der Bewertungen für private Eigentümer hat zugenommen, da viele wissen wollen, wo sie stehen.»
David Erny, Hecht Immo Consult
Dabei würden die Resultate aufgrund der im Vergleich zu früheren Bewertungen tieferen Zahlen auch schon mal angezweifelt. Bewerter Erny beobachtet zudem erstmals seit vielen Jahren, dass bei Grundstücken, auf denen Mehrfamilienhäuser mit mehr als drei Wohnungen stehen, der Landwert sinken könnte: «Die Wohnschutzregeln begrenzen hier das Ertragspotenzial.»
Entsprechend schlägt sich die Gesetzgebung zur Wohnraumförderung in Basel auch schon vereinzelt auf dem Transaktionsmarkt nieder. Dies muss wiederum in den Bewertungen im Vorfeld von Immobilienkäufen berücksichtigt werden. «Wer aktuell ein Objekt in Basel-Stadt erwirbt, will eine höhere Rendite zur Kompensation des Risikos», sagt David Erny. «Unter dem Strich resultiert damit natürlich ein um einiges tieferer Liegenschaftswert.» Eine generelle Abwertung ganzer Portfolios hat er aber noch nicht beobachtet: «Das wird sich erst verzögert zeigen. Ich bin aber sicher, dass künftige Bewertungen zu Korrekturen führen», sagt Erny.
Denkbar ist aber auch, dass die Regeln mitten im Spiel nochmals geändert werden. Im Mai dieses Jahres wurden von bürgerlicher Seite im Grossen Rat – dem Kantonsparlament – fünf Motionen eingereicht, die Korrekturen an der Wohnschutzverordnung verlangen. Gefordert wird etwa eine Vereinfachung der Bewilligungsverfahren für bauliche Massnahmen, die nicht mehr als zehn Prozent Mieterhöhung nach sich ziehen. Sollten die Motionen irgendwann politischen Erfolg haben, könnten einige der heutigen Regelungen wieder gelockert werden. Dann müssten auch die Schätzer auf dem Platz Basel ihre Strategie erneut anpassen.
Wohnquartier in der Alemannengasse in Basel.
PRAXISBEISPIEL
Was konkret verändert sich durch die neuen Bestimmungen beim Wert eines Basler Mehrfamilienhauses?