Die Folgen der neuen Bestimmungen im Wohnraumfördergesetz (WRFG) auf die Immobilienbewertung zeigen sich erst zögerlich. Es besteht eine grosse Rechtsunsicherheit im Allgemeinen und insbesondere in Bezug auf die fünfjährige Mietzinskontrolle durch die Wohnschutzkommission bei Renovationen. So kann heute niemand voraussehen, ob nach Ablauf dieser Frist eine Mietzinsänderung problemlos umgesetzt werden kann. Dass bereits erste Anpassungen des Gesetzes diskutiert werden, erschwert die praktische Handhabung zusätzlich. Klar aber ist: Dem Hintergrund einer Bewertung und der einzelnen Situation der spe­zifischen Liegenschaft kommt eine noch höhere Bedeutung zu. Denn je nach Bewertungsgrund und Sanierungsbedarf hat das Gesetz einen direkten oder weniger direkten Einfluss auf die Berechnung.

Konkret tangiert das Wohnraumfördergesetz Bewerter auf drei Ebenen: Wo setze ich den nächsten Renovationszyklus an? Welche Mietwerte setze ich ein? Und wie bilde ich die Auswirkungen des Wohnraumfördergesetzes im Dis­kontierungssatz ab? Gegenwärtig versuchen die meisten, den Sanierungszeitpunkt auf der Zeitachse hinauszuzögern und sich den drängendsten Fragestellungen in der Bewertung nicht zu stellen. Es erscheint einfacher, das grössere Risiko mit einem höheren Diskontierungszinssatz abzubilden.

Bewertung eines Basler Mehrfamilienhauses

Beim vorliegenden Rechenbeispiel geht es um ein klassisches Mehrfamilienhaus in einem nachgefragten Basler Stadtquartier. Das Haus wird angemessen unterhalten, wurde jedoch letztmals Anfang der 1990er-Jahre umfassend saniert. Aus Sicht eines Bewerters drängt sich die zyklische Sanierung mehr oder weniger per sofort auf. Die Liegenschaft ist im Besitz einer Privatperson. Ein Verkauf der Liegenschaft steht nicht im Fokus, hingegen die Übertragung der Liegenschaft auf eines der beiden Kinder. Hier stellen sich bereits die ersten Fragen: Soll der tiefere Wert infolge des Wohnraumfördergesetzes abgebildet werden? Profitiert so nicht eines der Kinder durch eine mögliche stille Reserve, wenn die Bestimmungen (oder Teile davon) in Zukunft allenfalls gelockert würden?

Die bewertete Liegenschaft befindet sich in ­einem zentrumsnahen Wohnquartier in Basel.

Bewertung vor Inkrafttreten des WRFG

In dieser Variante gehen wir von einer unmittelbar bevorstehenden, zyklischen Sanierung mit einer Investitionssumme von CHF 1 337 000 aus (50 Prozent des Gebäudeversicherungswerts). Wir überwälzen gemäss Mietrecht 50 Prozent dieses Betrags, bei einem Referenzzinssatz von 1,75 Prozent und einer Lebensdauer von 25 Jahren. Es resultiert ein Mehrmietzins von gerundet CHF 3140 pro Monat. Der Überwälzungssatz beträgt gemäss Bundesrecht 5,636 Prozent (siehe Berechnung 1).

Bewertung nach Inkrafttreten des WRFG

Der aktuelle Überwälzungssatz gemäss WRFG liegt bei 2,452 Prozent (beim ak­­tu­ellen Referenzzinssatz) und bezieht sich – da die Liegenschaft bewohnt ist – auf das einfache Bewilligungsverfahren. Durch den vorgegebenen Überwälzungssatz reduziert sich der Mehrmietzins von CHF 3140 auf CHF 1532,50 pro Monat. Nun kommt die Pauschalisierung nach Anzahl Zimmer dazu. Das heisst: Für eine 2-Zimmer-Wohnung ist ein maximaler Aufschlag von CHF 80 pro Monat und für eine 3-Zimmer-Wohnung ein maximaler Aufschlag von CHF 120 pro Monat möglich. Das kommt einem monatlichen Mehrmietzins von CHF 920 gleich. Den Zinssatz der Rechnung haben wir zum Direktvergleich auf demselben Stand wie in der Bewertung vor Inkrafttreten des WRFG belassen (siehe Berechnung 2).

 

Allein durch den reduzierten Überwälzungssatz resultiert ein um zirka 30 Prozent tieferer Liegenschaftswert. Wir haben bei diesem Beispiel keine weiteren Anpassungen vorgenommen, also auch den Diskontierungszinssatz nicht verändert.

Was passiert nach fünf Jahren?

Die Berechnung zeigt auf, warum in den meisten aktuellen Bewertungen der Sanierungszeitpunkt in die Zukunft gelegt wird. Die Handhabung bewirkt eine Dämpfung der Entwertung.

Das funktioniert aber je nach Liegenschaftszustand nur kurz- bis mittelfristig. Nach Ablauf der festgesetzten fünf Jahre stellen sich die gleichen Fragen erneut. Niemand kann voraussehen, mit welchen Hürden dann zu rechnen sein wird. In der Bewertung könnten wir dies über einen temporären Mindernutzen lösen. Oder wir pflegen alle Zahlen säuberlich in ein DCF-Modell ein.

Bewerten wir nun dieselbe Liegenschaft so, wie wir das mit den Voraussetzungen um das neue WRFG wohl tatsächlich müssten: Dafür erhöhen wir den Diskontierungssatz im Beispiel um 0,25 Prozent und setzen den Sanierungszeitpunkt auf das nächste Jahr an. Durch die Inkonvenienzen an die Mieter reduziert sich die Miete im Sanierungsjahr und erhöht sich danach im Rahmen der Möglichkeiten für fünf Jahre. Im Anschluss gehen wir davon aus, dass wir die Er­­höhung gemäss Bundesrecht durchsetzen können.

Auch in dieser Rechnung wird der Liegenschaftswert um eine halbe Million Franken reduziert. Dabei haben wir den Diskontierungssatz nur marginal erhöht und gehen zudem grosszügig von der Annahme aus, dass die Mietzinsanpassung nach fünf Jahren problemlos erfolgen kann. Weiter sind wir vom höchstmöglichen Pauschalsatz ausgegangen, der von der Wohnschutzkommission vor Beginn der Sanierungsarbeiten genehmigt werden muss. Ob sie das macht, ist wiederum eine völlig andere Frage.

Investoren haben das Nachsehen

Unabhängig davon, wie die WRFG-Einflüsse in den Bewertungen technisch abgebildet werden: Die Wertminderung ist gravierend und bestätigt die schlimmsten Vermutungen von Investoren. In der Praxis wird sich wohl ohnehin ein anderes Bild zeigen: Eigentümerschaften werden dringliche Sanierungen nicht nur hinausschieben, sie werden zudem versuchen, die Mieten bei Mieterwechseln – ohne bewilligungspflichtige Sanierung – an die Orts- und Quartiersüblichkeit soweit wie möglich anzupassen, und Sanierungen erst nach dieser Anpassung umsetzen.

Für die Bewertung gilt es dabei mehr denn je, den Auftrag genaustens zu formulieren und die Bewertung aus einer konkreten Sichtweise heraus zu erstellen. Diese kann mit Varianten rechnen und sollte unbedingt mit entsprechenden Kommentaren und Vorbehalten versehen werden. Wie alle Akteure der basel-städtischen Immobilienbranche sind auch Bewerter darauf angewiesen, dass sich eine Rechtsprechung etabliert. Bis es dazu kommt, werden wohl noch einige Jahre vergehen.

Fabian Halmer

Mitglied der Geschäftsleitung, Holinger Moll Immobilien AG, Vize­präsident SVIT beider Basel, Dipl. Immobilientreuhänder sowie Immobilienbewerter und Bewirtschafter mit eidg. FA