Glasi-Quartier
Vom Industrieareal zum lebendigen Quartier. Auf dem Areal der ehemaligen Glashütte in Bülach-Nord entsteht ein lebendiges Stadtquartier mit rund 560 Wohnungen und über 20 000 Quadratmetern Gewerbefläche. Das Projekt sieht neben flexiblen Flächen für Unternehmen und Gewerbebetriebe kostengünstige Mietwohnungen und Eigentumswohnungen vor. Der Bezugstermin ist für 2021 vorgesehen.
Die Gesellschaft hat sich verändert. Individualität prägt den Alltag, verbunden mit dem Wunsch, selbst aktiv etwas beizutragen. Klassische Wohnformate werden diesem neuen Lifestyle nur bedingt gerecht. Moderne Genossenschaftslösungen hingegen geben Antworten auf ein Bedürfnis nach Wohnmodellen, die der «normale Markt» nicht bietet. Das zumindest sagt Andreas Wirz. «Wohnbaugenossenschaften sind inhalts- und angebotsgetrieben», formuliert er. Das heisst, sie orientieren sich am zukünftigen Bewohner und seinen Bedürfnissen und nicht primär an dem, was der Markt hergibt resp. hergeben könnte. «Wer sich rein an der Rendite orientiert, läuft Gefahr, am Markt vorbei zu produzieren», sagt er.
Sichtbar wird das bereits heute an überteuerten Wohnungen, die bevorzugt leer stehen, damit ihr Wert nicht korrigiert werden muss. Noch sind es Anzeichen. Die Situation wird sich zuspitzen, davon ist Wirz überzeugt.
Gegenpol notwendig
Der Anteil an Genossenschaftswohnungen liegt im Schweizer Mittel bei 5 Prozent. Den Spitzenwert erreicht die Stadt Zürich mit knapp 20 Prozent (s. Abbildung 1). Attraktiv waren sie bereits in den 1920er Jahren. Damals galt es als chic, in einer dieser kleinen Luxuswohnungen zu wohnen. Leisten konnte sich diesen Wohnraum der obere Mittelstand, städtische Angestellte, SBB-Mitarbeitende, Lehrer. Über die Dauer sind die Wohnungen günstiger geworden und haben (auch) ein anderes Publikum angezogen. Von sozialem Wohnungsbau zu reden, wäre falsch. Es sei der gemeinnützige Ansatz, der im Zentrum steht, so Wirz.
Dass die Nachfrage nach solchem Wohnraum seit geraumer Zeit zunimmt, hat mit dem neuen Bewusstsein für qualitatives Wohnen zu tun. Und gründet auf den grossen Ideen der Pioniere des modernen Genossenschaftsbaus. Andreas Wirz ist einer dieser Pioniere. Als junges Kind der 80er, in Zürich aufgewachsen, war ihm die Gestaltung von Raum, in dem man sich entfalten kann, seit jeher wichtig. Das war der Beginn seines gesellschaftspolitischen Engagements, aus dem u.a. die Bau- und Wohngenossenschaft KraftWerk1 resultiert, die er mitgründete. «Wir wollten ein Zeichen setzen und auch einen Beitrag leisten», so Wirz. KrafWerk1 (www.kraftwerk1.ch) ist ein Vorzeigebeispiel in Sachen zukunftsweisendes Bauen und Bestätigung, dass sich Gedanken und Engagement lohnen.
Wirz ist älter geworden. Der Anspruch jedoch ist derselbe geblieben. «Der Immobilienmarkt überbordet. Es braucht mehr denn je einen Gegenpol», so Wirz. Mit Gegenpol meint er, Bauland gezielt der Spekulation zu entziehen und ein Qualitäts- und Nachhaltigkeitsdenken zu leben, das den knappen Ressourcen gerecht wird. Gerade beim Bauen haben wir einen Hebel. Es gehe nun darum, die Entwicklungen, welche die Bauwirtschaft im Wohnbereich erreicht hat, auf die anderen Lebensbereiche auszubauen.
Wirz spricht als Konsequenz von «echten Quartieren», die entstehen sollen. Von Orten, die Menschen eine Heimat bieten. Im Zentrum stehen Identität, Inklusion und soziale Interaktion. Die Frage drängt sich auf, weshalb das eine Wohnbaugenossenschaft besser schaffen soll, als eine Überbauung, die von Entwicklern realisiert wurde? Das liegt in der Natur des Genossenschaftsmodells, das jedem Bewohnenden mit Anteilschein ermöglicht und ihn gleichsam verpflichtet – aktiv oder passiv –, den Wohnalltag mitzugestalten; bereits in einer frühen Phase. «Die Lebenswelt der Bewohner soll nicht bei der Haustüre enden», betont Wirz, «sondern idealerweise dort beginnen.»
Ansprüche hin, Ideologien her. Herausforderung bleibt – auch im gemeinnützigen Wohnungsbau –, guten, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der letztlich eine für eine Gemeinschaft notwendige, gute Durchmischung ermöglicht. Während die Zustimmung der Bevölkerung im urbanen Raum hoch ist, hofft Wirz, dass andere Regionen ebenfalls mitziehen. Das wird ein wichtiges Thema der nahen Zukunft.
Was bedeutet das nun für den Bewerter? Im Prinzip das, was für alle Immobilien mit besonderen Eigenschaften gilt: Sie sollen entsprechend geschätzt werden. Einmal mehr sind Know-how, Erfahrung und Marktnähe gefragt.
Abbildung 1: Marktanteil an Genossenschaftswohnungen der zehn
grössten Städte der Schweiz.
Andreas Wirz
Dipl. Architekt ETH, Partner bei Archipel GmbH; langjährige Erfahrung im Bereich Wohnungsbau, preisgünstiges Bauen und Projektentwicklung; u.a. Mitbegründer der Bau- und Wohngenossenschaft KraftWerk1