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Komponenten

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Irrtümer

Konkret geht es um eine Baurechts-Gewerbeliegenschaft in einer Zürcher Gemeinde. Der Grundeigentümer verkaufte sein baurechtsbelastetes Grundstück dem Bauberechtigten. Weil die vertraglichen Kaufpreise vermuten liessen, sie entsprächen nicht den marktmässig erzielbaren Kaufpreisen, wurde der erzielte Grundstückgewinn anhand der Verkehrswerte veranlagt. Die Verkehrswerte des verkauften baurechtsbelasteten Grundstücks wurden aber nicht gemäss üblicher Praxis als sogenannten Dreikomponentenwert ermittelt; die Zürcher Gerichte haben vielmehr den absoluten Landwert als Verkehrswert des belasteten Grundstücks bezeichnet. Das Bundesgericht hat die Entscheide der Vorinstanzen bestätigt. Der bundesgerichtliche Entscheid kann aus bewertungsmethodischer, ökonomischer und logischer Sicht nicht nachvollzogen werden.

Die Verkehrswerte bei ­Baurechten

Bei Baurechten teilen Grundeigentümer und Bauberechtigter die Liegenschaft mit ihrem ganzen Bestand (Bauten und Boden) unter sich auf, jedoch nicht in Gebäude und Land, sondern in «Nutzung der ganzen Liegenschaft während der Baurechtsdauer» und «Nutzung der ganzen Liegenschaft nach Baurechtsablauf». Folglich teilen sich Grundeigentümer und Bauberechtigter auch den Wert der Liegenschaft: Der Bauberechtigte nutzt die ganze Liegenschaft während einer befristeten Dauer, und der Wert des Baurechtes entspricht dem befristeten (= reduzierten) Gesamtwert der ungeteilten Liegenschaft. Der Grundeigentümer seinerseits kann die ganze Liegenschaft mit ihrem ganzen Bestand erst nach Ablauf des Baurechtes nutzen, und der Wert des Bodengrundstücks entspricht hier dem aufgeschobenen (= diskontierten) Gesamtwert der ungeteilten Liegenschaft.

Das Baurecht und das baurechtsbelastete Grundstück sind also zwei Teile der ganzen Liegenschaft, und deren Verkehrswerte sind Teilwerte des gesamten Verkehrswertes der ungeteilten Liegenschaft. Um einen oder beide Teil-Verkehrswerte zu berechnen, muss zwingend zuerst der Verkehrswert der ganzen ungeteilten Liegenschaft ermittelt und anschliessend restdauerabhängig in die beiden Teilwerte aufgeteilt werden. Es ist unmöglich, einen der beiden Verkehrswerte einzeln und direkt zu ermitteln, ohne zuerst den Gesamtwert der ungeteilten Liegenschaft zu bestimmen.

Die Baurechtsparteien können vertraglich Baurechtszinse und eine Heimfallentschädigung vereinbaren. Dies kann die Verkehrswerte von Baurecht und Bodengrundstück beeinflussen und verändern. Diese Zahlungsverpflichtungen ändern jedoch nichts am Prinzip der zwei restdauerabhängigen Teilwerte eines Gesamtwertes.

Der Dreikomponentenwert

Das Bundesgericht hat bereits 1984 in einem Leitentscheid festgehalten, dass bei Baurechten mit Zinspflicht und Heimfallentschädigung die beiden Verkehrswerte immer aus drei Komponenten bestehen, nämlich: Der Verkehrswert des baurechtbelasteten Grundstücks umfasst den diskontierten Verkehrswert der ganzen ungeteilten baurechtsfreien Liegenschaft, zuzüglich des Barwertes der noch ausstehenden Baurechtszinsen, abzüglich der diskontierten Heimfallentschädigung. Symmetrisch dazu umfasst der Verkehrswert des Baurechtes die gleichen drei Komponenten, nämlich: den über die Wartefrist reduzierten Verkehrswert der ganzen Liegenschaft, abzüglich des Barwertes der noch ausstehenden Baurechtszinsen, zuzüglich der diskontierten Heimfallentschädigung. Die Summe der beiden Verkehrswerte ergibt wiederum den Verkehrswert der ganzen Liegenschaft.

Wenn nun, wie es durchaus vorkommen kann, bei einem Baurecht keine Baurechtszinsen und auch keine Heimfallentschädigung zu bezahlen sind, fallen bei beiden Verkehrswerten die zwei Komponenten Baurechtszinse und Heimfallentschädigung weg. Es verbleibt bei beiden Verkehrswerten aber immer noch die erste Komponente, nämlich der diskontierte bzw. reduzierte Gesamtwert der ganzen ungeteilten baurechtsfreien Liegenschaft.

Die gerichtlichen Erwägungen

Irrtum 1 Alle Erwägungen und Urteilsbegründungen, vom Zürcher Steuerrekursgericht bis zum Bundesgericht, wurzeln in der irrigen Annahme, dass die Verkehrswerte für das belastete Grundstück und für das Baurecht einzeln und direkt ermittelt werden können. Wie bereits erläutert, ist das nicht möglich, weil die beiden Verkehrswerte zwei Teilwerte des Verkehrswertes der ungeteilten baurechtsfreien Liegenschaft sind. Die Vorinstanzen und das Bundesgericht beachten diesen Grundsatz nicht, sie verletzen damit die anerkannte Lehre und sogar einen Leitentscheid des Bundesgerichtes.

Irrtum 2 Wie allgemein bekannt ist, werden Verkehrswerte als sogenannter Jedermannswert immer aus der Sicht von möglichen dritten Käufern festgelegt. Wenn im hier besprochenen Fall der Käufer des baurechtsbelasteten Grundstücks nach dem Kauf bestimmte Möglichkeiten und Vorteile hat, die andere dritte Käufer nicht haben, dürfen diese subjektiven Verhältnisse im objektiven Verkehrswert nicht berücksichtigt werden. Die Zürcher Gerichte und das Bundesgericht untersuchen jedoch beharrlich die subjektiven Verhältnisse, die dem Bauberechtigten nach dem Kauf des belasteten Grundstücks entstehen. Diese Sichtweise verletzt den Grundsatz des neutralen Jedermann-Verkehrswertes.

Irrtum 3 Das Zürcher Verwaltungsgericht hatte bereits früher argumentiert, wenn der Bauberechtigte das belastete Grundstück erwerbe, bezahle er später sich selbst weder Baurechtszinse noch Heimfallentschädigung. Also fallen von den drei Komponenten zwei Komponenten weg. Aber anstatt die verbleibende erste Komponente, nämlich den reduzierten Verkehrswert der unge­teilten Liegenschaft als wertbestimmend für den Verkehrswert zu bezeichnen, verfügte das Verwaltungsgericht, der Verkehrswert des baurechtsbelasteten Grundstücks entspräche dem absoluten Landwert. Es ist unverständlich, warum nun plötzlich ein Landwert wertbildend sein soll, wo doch die bestehenden Bauten noch genutzt werden. Die Zürcher Gerichte und das ­Bundesgericht meinen möglicherweise, das baurechtsbelastete Grundstück sei «das Land» und das Baurecht sei «das Gebäude». Durch die Errichtung eines Baurechtes wird aber eine überbaute Liegenschaft nicht in «Gebäude» und «Land» aufgeteilt, sondern in zwei zeitlich definierte, aber materiell identische Teile: nämlich in den zeitlich befristeten und in den zeitlich aufgeschobenen Teil der ungeteilten überbauten Liegenschaft. Da existiert kein Land, weder bei der überbauten Liegenschaft noch bei einem ihrer beiden Teile.

Irrtum 4 Es geht hier um den beim ­Verkauf erzielten Grundstückgewinn. Grundstückgewinne entstehen letztlich (ceteris paribus) durch die Teuerung, bei einer überbauten Liegenschaft durch die Teuerung beim Gebäude. Die Baulandteuerung hat bei überbauten Liegenschaften absolut keine Auswirkung. Trotzdem haben die Zürcher Gerichte und schliesslich auch das Bundesgericht die Landteuerung als massgebend für den Grundstückgewinn zugelassen, obwohl gar kein Bauland vorhanden ist. Aus steuerrechtlicher Sicht ist dies unverständlich.

Die Berufsverbände der ­Immobilienbewerter sind jetzt ­gefordert

Mit dieser Rechtsprechung wird die in Fachliteratur und Bewertungspraxis verankerte Definition des Verkehrswertes bei Baurechten verworfen. Völlig unklar ist jetzt, wie Schätzungsexperten in Zukunft vorgehen sollen, wenn sie von einem Gericht beauftragt werden, die Verkehrswerte des belasteten Grundstücks oder jene des Baurechtes zu schätzen.

Francesco Canonica

Schätzungsexperte und Berater für Immobilien in Bern, Autor diverser Fachbücher zur Immobilienbewertung, Gründer des SIV und während 5 Jahren ­dessen erster Präsident