Die zulässige Nutzung, allfällige Zweckänderungen, das bauliche Erweiterungspotenzial: Das sind nur einige der zahlreichen Praxisfragen, die sich bei der Bewertung einer Liegenschaft stellen, die ausserhalb der Bauzone steht. Erschwerend kommt hinzu, dass ausserhalb der Bauzonen nicht nur das strenge Bundesrecht gilt, sondern auch die kantonale Bewilligungspraxis stark variiert. Für Schätzerinnen und Schätzer ohne juristischen Hintergrund ist diese Konstellation oft schwer überschaubar – selbst für Fachleute ist sie mitunter komplex.
Dabei machen bebaute Liegenschaften ausserhalb der Bauzonen einen beachtlichen Teil des Marktes aus: Laut einer Auswertung des Bundesamts für Raumentwicklung befinden sich rund 22 Prozent der bebauten Grundstücke – gemessen am Gebäudeareal mit Umschwung – ausserhalb der Bauzonen1. Für das Schätzungswesen bedeutet dies, dass eine relevante Anzahl an Objekten systembedingt einer potenziell schwierigen Rechtslage unterliegt.
Ein zentrales Prinzip des Raumplanungsrechts ist die Trennung zwischen Bau- und Nichtbaugebiet. Für Liegenschaften, die ausserhalb der Bauzonen liegen, gilt deshalb – vereinfacht gesagt – ein Bauverbot. Bestehende Bauten und Anlagen dürfen nur geändert, (massvoll) erweitert oder wiederaufgebaut werden, wenn ein Ausnahmetatbestand gemäss Bundesrecht erfüllt ist und keine überwiegenden öffentlichen Interessen dem Vorhaben entgegenstehen. Ein Anspruch auf eine Baubewilligung besteht – im Unterschied zur Bauzone – nicht.
Nur rechtmässig bewilligte Bauten besitzen eine wirtschaftlich relevante Werthaltigkeit. So können unbewilligte Bauten im Rahmen einer Bewertung wirtschaftlich nur dann berücksichtigt werden, wenn sie zweifelsfrei bewilligungsfähig sind – was der Prüfung im Baubewilligungsverfahren vorbehalten bleibt. Aus Gründen der Sorgfalt sollten Schätzer bei unklaren Bewilligungsverhältnissen daher keine vorschnelle Bewertung ausstellen.
Es gilt zu beachten, dass unbewilligte Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen – entgegen einer landläufigen Auffassung – durch Zeitablauf nicht legalisiert werden. Selbst ein über Jahre oder gar Jahrzehnte andauerndes Dulden durch die Behörden begründet ausserhalb der Bauzonen keinen Vertrauensschutz. Das Bundesgericht hat wiederholt klargestellt, dass bei unbewilligten Bauten der rechtmässige Zustand durch eine Wiederherstellungsverfügung – zum Beispiel mittels Abbruchs – auch nach Jahrzehnten eingefordert werden kann.
Landwirtschaftszone mit zonenfremdem Wohnhaus im Hintergrund, Oberschönau, Gemeinde Kirchberg SG.
Rückschlüsse für die Bewertung
Als Faustregel gilt, dass jede vom baulichen Referenzzustand per 1. Juli 1972 (Stichtag gemäss Raumplanungsgesetz) abweichende Situation auf einem Grundstück ausserhalb der Bauzonen einer Bewilligung bedarf. Dies betrifft nicht nur Erweiterungen des sichtbaren Bauvolumens, sondern auch Veränderungen am äusseren Erscheinungsbild bestehender Bauten sowie der Umgebung – etwa aufgrund neuer Zufahrten, Stützmauern, Einfriedungen oder dem nachträglichen Bau von Pools, freistehenden Saunen, Gartenhäusern, Pergolen und so weiter.
Bewilligungspflichtig sind zudem Veränderungen innerhalb des bestehenden Bauvolumens wie der Ausbau unbeheizter Nebenräume zu beheizten Wohnflächen, ebenso wie Nutzungsänderungen, etwa von saisonaler zu ganzjähriger Nutzung oder von gewerblich zu Wohnnutzung (zum Beispiel Umnutzung eines Gasthofs zu einem Wohnhaus). Auch die Intensivierung der Nutzung – etwa durch die Schaffung zusätzlicher Wohneinheiten – ist bewilligungspflichtig.
Für die Bewertungspraxis bedeutet dies, dass der rechtliche Status der bestehenden oder geplanten Nutzung im Verhältnis zum Referenzzeitpunkt (1. Juli 1972) zwingend geklärt werden muss. Andernfalls drohen gravierende Fehleinschätzungen. Wird ein unbewilligter Zustand festgestellt, ist dieser mit der gebotenen Sorgfalt im Rahmen der Bewertung zu berücksichtigen; bei Zweifeln an der Bewilligungsfähigkeit kann sich die Notwendigkeit einer Nichtbewertung aufdrängen. Eine Meldepflicht besteht hingegen nicht – baupolizeiliche Aufgaben obliegen der Gemeinde.
«Nur rechtmässig bewilligte Bauten besitzen eine relevante Werthaltigkeit.»
Typische Abklärungsfragen
Soweit nicht unmittelbar – das heisst, insbesondere aus dem Zonenplan – hervorgeht, dass ein Grundstück zum Baugebiet gehört, ist vor der Bewertung eine kritische Prüfung der Zonenzugehörigkeit erforderlich. In der Regel kann hierfür auf den kommunalen Nutzungsplan samt Richtplan abgestellt werden. Grundstücke ausserhalb der Bauzonen sind häufig der Landwirtschafts-, Freihalte- oder einer Schutzzone zugewiesen. Schwieriger ist die Einordnung bei Spezialzonen, die nicht eindeutig dem Bau- oder Nichtbaugebiet zugeordnet werden können. In solchen Fällen empfiehlt sich eine diesbezüglich vertiefte Abklärung bei der zuständigen kommunalen Baubehörde.
Vorsicht ist auch bei sogenannten abparzellierten Grundstücken geboten – also solchen, die aus dem Geltungsbereich des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) entlassen wurden. Solche Liegenschaften werden in der Praxis oft fälschlich als dem Baugebiet zugehörig betrachtet, obwohl sie planerisch dem Nichtbaugebiet zugewiesen bleiben (häufig Landwirtschaftszone).
In einem zweiten Schritt ist der bewilligte Zustand auf dem Grundstück zu ermitteln. Dieser lässt sich nach der hier vertretenen Auffassung nur durch vollständige Sichtung früherer Baubewilligungen sowie durch ergänzende Abklärungen bei den kantonalen Fachstellen verlässlich feststellen. Es kann sich lohnen, in diesem Zusammenhang vorgängig Rat bei einer unabhängigen Fachperson einzuholen.
Zurück zum Referenzzustand
Von besonderer Bedeutung bei der Bewertung sind Objekte, die über Jahre hinweg mehrfach baulich verändert wurden und bei denen zum Bewertungszeitpunkt nur teilweise Bewilligungen vorliegen. In solchen Fällen empfiehlt sich eine gedankliche Rückführung des Objekts auf den baulichen Referenzzustand per 1. Juli 1972 und anschliessend eine schrittweise Prüfung der zwischenzeitlich vorgenommenen Veränderungen. In jedem Fall sind dafür die bestehenden Bauakten beizuziehen, die in der Regel bei der kommunalen Baubehörde eingesehen werden können. Bestehen trotz vorhandener Akten Lücken betreffend dem vorgefundenen Baubestand, können historische Fotos, Pläne, Luftbilder oder ältere Schätzungsprotokolle ergänzende Informationen liefern. Diese können unter Nachweis der Legitimation beim Gemeindebauamt, beim Grundbuchamt oder bei der kantonalen Gebäudeversicherung einverlangt oder von Dritten (zum Beispiel Grundeigentümer oder Nachbar) zur Herausgabe angefragt werden. Wird auf diesen Schritt verzichtet und stattdessen einzig auf die Auskünfte des (Grund-)Eigentümers abgestellt, könnte dies auftragsrechtlich problematisch sein. In diesem Fall ist dringend ein entsprechender Vorbehalt in der Bewertung anzubringen.
Stellt sich heraus, dass bestimmte Bauten oder Anlagen nicht bewilligt sind, sollten diese nicht in die Bewertung einbezogen werden. Sind davon die Hauptbaute oder der wirtschaftliche Schwerpunkt der Liegenschaft betroffen, ist eine vertiefte Prüfung hinsichtlich der Einholung einer nachträglichen Baubewilligung angezeigt. Dagegen lautet die Empfehlung, im Rahmen der Bewertung von verbindlichen Aussagen zur Bewilligungsfähigkeit abzusehen. Allenfalls kann es sinnvoll sein, im Rahmen der Bewertung eine klare Trennung zwischen bewilligten und nicht bewilligten Teilen des Grundstücks vorzunehmen und den konkreten Bewertungsumfang mit dem Auftraggeber abzusprechen.
Spezialfall Nutzungsänderungen
Ein bei der Bewertung ausserhalb der Bauzonen häufig übersehener Aspekt betrifft Zweckänderungen und Veränderungen der Nutzungsintensität. Wird ein Gebäude heute ganzjährig bewohnt, obwohl es ursprünglich nur für eine saisonale Nutzung bestimmt war, kann darin eine bewilligungspflichtige Nutzungsänderung liegen. Ebenso darf ein Gebäude, das ursprünglich lediglich über eine Wohneinheit verfügte, nicht ohne vorgängige Bewilligung in ein Mehrfamilienhaus umgewandelt werden. Im Zweifelsfall ist auch bei solchen Fragen eine Prüfung durch eine juristisch fachkundige Person zu empfehlen.
Keine Neubauten erlaubt
Unbebaute Grundstücke ausserhalb der Bauzonen sind in aller Regel nicht bebaubar. Die Errichtung eines Neubaus für zonenfremde Wohnzwecke – etwa eines Einfamilienhauses «auf der grünen Wiese» – ist grundsätzlich ausgeschlossen. Der Wert solcher Parzellen ergibt sich primär aus ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung. Eine Ausnahme bilden standortgebundene Bauten und Anlagen, die technisch oder betrieblich zwingend auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen sind – etwa Mobilfunkanlagen.
1 ARE (2023), Monitoring Bauen ausserhalb Bauzonen – Standbericht 2023, Ziff. 4.1, S. 11, Tabelle 4.
Fazit
Liegenschaften ausserhalb der Bauzonen unterliegen einer komplexen Rechtslage, die erheblichen Einfluss auf die Wertermittlung haben kann. Je nach Fallkonstellation kann eine rechtliche oder fachplanerische Expertise unerlässlich sein. Für die Praxis empfiehlt sich ein systematisches Vorgehen: Prüfung der Zonenzugehörigkeit, Ermittlung des bewilligten Zustands, allfällige Abweichungen transparent ausweisen und schliesslich den konkreten Bewertungsumfang und die Grundlagen der Bewertung klar deklarieren. Nur so lassen sich Fehleinschätzungen vermeiden – zum Schutz aller Beteiligten.
Zur Person
Dr. iur. Lawrence Reiser ist Rechtsanwalt in St.Gallen. Er ist unter anderem im Bau- und Planungsrecht tätig und begleitet schweizweit sowohl private als auch gewerbliche Bauherren bei der Umsetzung ihrer Projekte. Sein besonderer Schwerpunkt liegt auf Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen.

