Die Büromietpreise in Zürich City schwankten in den letzten 20 Jahren zwischen CHF 450 und 950 pro m² und Jahr; in Genf lag die Spannweite zwischen CHF 500 und 1000, in Basel zwischen CHF 300 und 550. Die Leerstände liegen zwischen 3 und 8 %. Diese Zahlen sind bekannt. Immobilien­investoren und -eigentümer wissen somit genau, worauf sie sich einlassen. Erzielbare Mietpreise, Leerstände, Anfangsrenditen, Kostenstrukturen liegen als Zahlen vor. Der Markt wird transparent, die Risiken kalkulierbar. Und hier haben wir es mit einem Paradoxon zu tun, weil bei kalkulierbaren Risiken das Unvorhersehbare und nicht Messbare riskant ist und nicht das Messbare.

Das Risiko liegt in der Ungewissheit der anstehenden Entwicklung. Wer hätte gedacht, dass die 208 000 m² Büroflächen des 1931 erbauten Empire State Buildings erst 20 Jahre nach seiner Eröffnung voll vermietet sein werden? Wer hätte sich damals ausgemalt, dass gleiches Gebäude 90 Jahre später an der Börse mit einem Marktwert von rund USD 2,1 Mrd. gehandelt wird? Niemand. Genauso wenig wissen wir, wie sich der Büromarkt in der Schweiz bis 2100 entwickeln wird. Was wir sehen, sind Trends wie Homeoffice, die geografische Unabhängigkeit durch ­Digitalisierung, Individualisierung, soziale Distanzierung aus Angst vor Viren, Ökologisierung und die fortschreitende Wissenskultur. Über deren Verlauf und ihr Potenzial, die Arbeitswelt nachhaltig zu verändern, lässt sich spekulieren. 

Das Homeoffice leert die ­Städte

Das Homeoffice erlebt gerade eine Hochkonjunktur. Dass es funktioniert, haben mittlerweile selbst die grössten Skeptiker verstanden. Eine Konsequenz des Homeoffice-Trends ist, dass die Bürohäuser in den Städten nahezu leer sind. Und die Frage drängt sich auf, weshalb zukünftig teure Mieten für solche Büroflächen bezahlt werden sollen. Grossunternehmen wie ­Roche oder Swisscom haben bereits eine massive Reduktion ihres Büro­flächenbedarfs angekündigt. Die Büroflächenmärkte könnten dadurch stark unter Druck geraten, Mietpreise sinken und Leerstände steigen. Könnten, aber müssen nicht. 

Dezentrale Arbeitsformen gab es schon früher, zum Beispiel in der Textil­industrie; sie haben sich nicht durchgesetzt. Denn was sich auf den ersten Blick als grosser Vorteil erweist (Convenience-Gedanke, gelebte Individualität, fokussierte Ökologie), hat bei näherer Betrachtung seine Tücken. Da sind ­Themen wie Ausstattung, Arbeitssicherheit oder Datensicherheit, die es zu gewährleisten und juristisch zu regeln gilt. Auf der anderen Seite sind soziale Kontakte und auch Kontrolle für Mensch und Unternehmenskultur gleichermassen wichtige Themen. Daraus lässt sich ableiten, dass das Home­office das Büro wohl nicht ersetzen wird, sondern vielmehr ergänzen. Es besteht somit Hoffnung für das repräsentative Büro in der Stadt. Allerdings wird es Anpassungen brauchen: Das Büro wird in Zukunft noch attraktiver sein müssen, noch repräsentativer, noch integrativer, noch kommunikativer. Der Weg geht weg von der «Stallhaltung» hin zum «Office Home». 

Der Mensch ist mehr als eine Produktionseinheit. Er will etwas erleben und bewirken. Und braucht dafür städtische Erlebnisdichte und Erlebnisvielfalt.

Die Städte bleiben nicht leer

Aufgabe vieler Büroliegenschaften oder vermehrter Gebrauch unter höhe­ren Anforderungen? Beide Szena­rien sind per heute denkbar. Wir wissen nicht, wie sich der Markt entwickeln wird. Und diese Unsicherheit stellt ein wahres, nicht messbares Risiko dar. Dasselbe gilt für andere Trends. Die geografische Unabhängigkeit durch Digitalisierung ermöglicht mehr Arbeitsnomaden und eine Allokation von Bürohäusern in mittelgrossen und kleineren Städten. Dasselbe gilt für die Ökologisierung. Sind Feriendestinationen zukünftig stärker gefragt? Die Nähe zu den Wohnorten? Oder doch die Zentren der Städte mit der vielfältigen Infrastruktur an Einkaufs- und Verpflegungsmöglichkeiten und einem grossen kulturellen Angebot, wo gegenseitiger inspirierender Austausch möglich ist? 

Der Mensch ist mehr als nur eine Produktionseinheit; er ist ein komplexes, neugieriges, kreatives, vielfältiges Wesen, das etwas erleben und bewirken will. Genau deshalb braucht er städtische Erlebnisdichte und Erlebnisvielfalt. Das lässt den Schluss zu, dass wir zurück in unsere Städte kehren – ­aller Wahrscheinlichkeit nach gar mit voller Wucht. So wird die Stadt bleiben, was sie ist: ein Erfolgsmodell. 

Felix Thurnheer

MSc in Geografie; MBA, Internationales Immobilienmanagement; Geschäftsführer ImmoCompass AG, Zürich