Wohneigentum ist immer eine Kapitalanlage, unabhängig von seinem immateriellen Wert. Jeder Besitzer einer Immobilie – ob öffentlich oder privat, ob Händler oder reiner Halter – ist nachdrücklich an der Entwicklung dessen Verkehrs- beziehungweise Marktwertes interessiert. Dieser unterliegt diversen Einflussfaktoren: Nebst dem Gebäudezustand sind dies gesellschaftliche Trends, die Veränderung von Angebot und Nachfrage im näheren und weiteren Umfeld sowie Wohlstands- und demografische Entwicklungen. Gebaut wird immer für die Zukunft. Die Kenntnis über die mögliche Entwicklung dieser Faktoren und deren Einfluss auf den Wert der Immobilie ist deshalb von grosser Bedeutung für einen Investor.

Noch fehlen dem Bewerter die Zahlen und Fakten, auf die er sich bei seiner Arbeit berufen kann. Will man die langfristige Werthaltigkeit ermitteln, muss die Immobilienbewertung breiter als bisher abgestützt werden – dies unterstreicht auch der sich entwickelnde Konsens in der Branche. Und der Investor ist folglich daran interessiert, diese Faktoren zu antizipieren und ein entsprechendes Hilfsmittel dafür in die Hand zu bekommen. Wie etwa das nachfolgende Instrument.

SNBS steht für «Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz». Dabei handelt es sich um den ersten umfassenden und zertifizierbaren Gebäudestandard in der Schweiz. Warum «nachhaltig»? Weil die Bereiche Gesellschaft/Wirtschaft/Umwelt gleichwertig in das Konzept einflossen und es letztlich um die langfristige Wert­erhaltung einer Immobilie geht.

Die Erkenntnisse sind nicht grundsätzlich neu; vielmehr wurde mit SNBS das bestehende und öffentlich zugängliche Wissen über das nachhaltige Bauen in ein einfach handhab­bares Planungsinstrument überführt. Die ultimativen Ziele:

Tiefe Leerstand- / Umzugsquote: das heisst Berücksichtigung der Nutzer- und Marktbedürfnisse

Tiefe Betriebs- und Unterhalts­kosten: das heisst Lebens­zyklus­kosten­betrachtung

Gliederung SNBS: Auszug «Wirtschaft»

Nutzerbedürfnisse

Gebrauchsqualität der Räume – Nutzungsflexibilität – Behaglichkeit – Sicherheit – Gesundheit im engen (keine gesundheitsgefährdenden Materialien) und im weiteren (Tageslicht, Schallschutz) Sinne – Diversität – Erreichbarkeit – Anbindung an den ÖV – Nutzungsangebot im Quartier – Begegnungsmöglichkeiten / soziale Kontakte – Aussenraumgestaltung /Naherholungsangebote – ­architektonische / städtebauliche Qualität

 

Marktbedürfnisse

Langfristige Entwicklung von Angebot/Nachfrage betreffend Nutzung und Preise in der relevanten Umgebung.

Betriebs- und Unterhaltskosten

Energieverbrauch – Treib­hausgasemissionen – Reinigungsaufwand /  Abnützung der Materialien – Abfall­trennung – Abbaukosten

Fokus: Immobilienbewertung

SNBS wurde als Planungsinstrument konzipiert. Das prioritäre Bedürfnis eines Investors ist allerdings, ein Instrument verfügbar zu haben, das ihm zuverlässige Aussagen über die Werthaltigkeit seines Immobilien-Portfolios und dessen Entwicklungspotenzials liefert. Das vorliegende Bewertungstool ermöglicht dies wie auch die Ableitung schlüssiger strategischer Schritte wie: keine Massnahmen, sanfte Sanierung, umfassende Sanierung, Ersatzneubau, Umnutzung bis hin zur Veräusserung.

Die Bewertung des Portfolios erfolgt gewichtet nach Geschossfläche in Quadratmetern und qualitativ auf der Basis von Unterlagen wie Luftbildern, Situationsplänen, Planunterlagen, Angaben über Bau- und Renovationsjahre, Nebenkostenabrechnungen, Mieterspiegel, Leerstand usw. Zudem sind allgemein zugängliche Informationen wie «map.geo.admin.ch», die Radonkarte des BAG, Altlastenkataster der Kantone, Hagel- und weitere Karten betreffend Naturgefahren, ÖV-Güteklassen sowie «www.floretia.ch» hinterlegt. Diese werden automatisch mit der Adresse des spezifischen Objekts verknüpft.

Wirtschaft – Gebäude-Ebene

Resultat mit dem SGS-Tool

SNBS ist in «Bereiche, Themen, Kriterien und Indikatoren» gegliedert. Die eigentliche Bewertung findet auf der Ebene «Indikator» statt.

Das Bewertungstool ermöglicht Auswertungen auf allen Ebenen sowie für Einzelgebäude oder aus Portfoliosicht. Es liefert Informationen über die Bestandsqualität (dunkel eingefärbt) und das Verbesserungspotenzial (hell eingefärbt). Je länger der dunkel eingefärbte Balken ist, desto kleiner der Handlungsbedarf. Je länger der helle Balken ist, desto lohnenswerter ist eine Investition in das Gebäude (siehe Abbildung oben).

Wenn immer der Investor eine Veränderung am Portfolio vornimmt, kann er unmittelbar den Effekt dieser Massnahme auf die Entwicklung der Werthaltigkeit ermitteln. Letztlich stellt das Tool einen komplexen Sachverhalt mit einer ausreichenden Genauigkeit dar und bietet dem Investor eine konkrete Handlungsanleitung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ermittlung der langfristigen Werthaltigkeit eines Gebäudes eine umfassende Beurteilung des Gebäudes und seines Umfeldes bedingt. Im SNBS sind die relevanten Aspekte ausführlich und gut verständlich dargestellt. Ursprünglich als Planungs­instrument konzipiert, liegt neu eine Version für die Immobilienbewertung vor.

SNBS 2.0 Hochbau

SNBS ist der erste umfassende und zertifizierbare Gebäudestandard in der Schweiz. Das Bundesamt für Energie BFE hält alle Rechte am SNBS. Dieser Standard wurde in einem demokratischen Prozess der privaten und öffentlichen Hand und unter der Federführung von SGS entwickelt und im August 2016 lanciert.

SNBS ist ein Rahmenwerk mit 45 Indikatoren, die je nach Projektvoraussetzung und -zielen sowie Kontext und verfügbaren finanziellen Mitteln unterschiedlich zu adressieren sind. Hierfür stehen ein Bewertungstool und ein Manual mit Erläuterungen zur Verfügung.

Elvira Bieri

Managing Director bei SGS Société Générale de Surveillance SA., lic. rer. pol. in Program for Management Development; Mitglied Europa Forum Luzern; im Nachhaltigkeitsbeirat der ZKB.