Die Lageklassenmethode nach Nae­geli – sowie deren Varianten und Weiterentwicklungen – ist eine der älteren Bewertungsmethoden, eine Schweizer Spezialität mit einem grossen Charme und einer nach wie vor grossen Verbreitung. Die Methode kann grundsätzlich als Hilfsmethode für die Bestimmung von «relativen Landwerten» überbauter als auch unbebauter Grundstücke verwendet werden. Im Bewertungswesen beschränken sich relative Werte überbauter Liegenschaften jedoch in der Regel auf Baurechtsliegenschaften, da diese ansonsten einfach nur Teile des Marktwerts und keine eigenständigen Marktwerte darstellen. Hingegen kann die Lageklassenmethode für die Schätzung des Marktwerts von unbebautem Land verwendet werden, wenn die primär anzuwendende Vergleichswertmethode aufgrund fehlender oder ungeeigneter Vergleichsdaten nicht benutzt werden kann und kein ­hedonisches Modell verfügbar ist.

Naegeli analysierte Ende der 1950er-Jahre rund 200 Schätzungen aus 83 Jahren von Immobilien mit Nutzungen aller Art. Er stellte fest, dass der Landwertanteil bei vergleichbaren Objekten in einem bestimmten Verhältnis zum Marktwert der betreffenden Liegenschaft steht und dieser nie höher als 50 Prozent ist. Damit stand fest, dass der Landwertanteil gemäss seinen Analysen einer lageabhängigen Gesetzmässigkeit unterliegt. Vor diesem Hintergrund entwickelte er eine Skala von 8 Lageklassen zur Beurteilung der Lagequalität von Liegenschaften, der ein fester Grundfaktor von 6,25 Prozent pro Lageklasse zugrunde liegt, der bis heute unverändert verwendet wird (50 Prozent Landwertanteil: 8 Lageklassen). Canonica entwickelte später, im Jahr 1991, als Folge der veränderten Landpreissituation, eine Skala mit 10 Lageklassen bei unverändertem Grundfaktor. 1993 publizierte er die heute allgemein anerkannten 4 Lageklassentabellen für «Wohnen», «Büro, Handel, Gastgewerbe», «Gewerbe, Industrie» und «öffentliche Bauten», die später als SIV-Lageklassentabellen bekannt und bis dato auch von anderen Schweizer Berufsverbänden zur Anwendung empfohlen wurden.

Bereits die diversen Modifikationen seit 1958 – zum Beispiel die Umstellung von 8 auf 10 Klassen – zeigen, dass die Erkenntnisse von Naegeli keine ewige Gültigkeit haben. Es ist zudem offensichtlich, dass die bisherigen Tabellen mit konstanten Multiplikatoren nicht gleichzeitig die Baisse der 1990er-Jahre und die langanhaltende Hausse seit 1998 abzubilden vermögen. Während die bisherigen Tabellen vielerorts nach wie vor gut funktionieren, wurde es in den vergangenen Jahren immer schwieriger, damit an den Randlagen sowie an den «Hotspots» verlässliche Werte zu erhalten.

Diverse Grundlagen im bestehenden System, wie etwa die durchwegs gleiche Gewichtung der Hauptkriterien, der fixe Grundfaktor von 6,25 Prozent, die unklare Berücksichtigung des Entwicklungsrisikos oder die ungenügende Berücksichtigung der Marktsituation, wie auch der Umstand, dass eine grundsätzliche Überarbeitung im Kontext von Marktwerten längst notwendig ist, hat die Methodikgruppe des SIREA zum Anlass genommen, die bisherige Lageklassenmethode zu überdenken und methodisch zeitgemäss aufzusetzen.

Die überarbeiteten ­Lageklassen 2019/2020

Ausgangspunkt für die Berechnung der neuen Lageklassentabellen bildet die Arbeit von Schlesinger (2017), basierend auf einem Datenstand (4. Quartal 2019) sowie auf der umfassenderen und detaillierteren Datenbasis von Fahrländer Partner Raumentwicklung (FPRE). FPRE wurde von SIREA/SIV mit den empirisch-statistischen Arbeiten beauftragt.

In der Umsetzung für die Schätzung der neuen Lageklassen wurden die hedonischen Modelle von FPRE, Daten zu Erstellungskosten aus den FPRE-Datenbanken, ein Tool von werk-material.online von CRB sowie ein reduziertes Risiko­modul von FPRE eingesetzt. Sowohl FPRE als auch CRB verfügen über Verteilungen von m3-Preisen nach Nutzungen. Zudem verfügt FPRE über ein zweites detaillierteres Modell, auf der Basis von m2-Preisen für BKP2 sowie Zuschlägen. Die resultierenden Landwerte werden mit, von statistischen Ämtern publizierten sowie von Mitgliedern der SIREA Methodikgruppe gelieferten, Transak­tionspreisen von Bauland abgeglichen.

Neues Modell – einfach und bestmöglich

Für eine hohe Akzeptanz der neuen ­Lageklassenmethode war es essen­ziell, den «Charme der Einfachheit» beizubehalten. Möglichst einfach soll das neue Modell sein und gleichzeitig einen möglichst grossen Anteil der Varianz erklären. Tabellen zu entwickeln, die alles mit höchster Güte erklären können und letztlich die anderen Schätzmethoden obsolet machen würden, wäre dem Anspruch «Einfachheit» nicht gerecht geworden. Trotzdem sollen die neuen Tabellen eine Verbesserung sein; die Ungenauigkeiten dürfen nicht zu gross sein und die Varianz der Landwertanteile muss gut erklärt werden können. So ging es darum, ein Modell zu entwickeln, das dem Prädikat «bestmöglich einfach» gerecht wird.

«Als Endmodell, das die Grundlage der Tabellen bildet, wird schliesslich ein multiples lineares Regressionsmodell mit ­robusten Schätzmethoden angewendet.»
Der Regressions-Output des finalen Modells zur empirischen Schätzung der Landwertanteile wurde in eine benutzerfreundliche Darstellung übersetzt, die sich im Aufbau an der bestehenden Lageklassentabelle orientiert. Im Gegensatz zur bisherigen Tabelle dient die neue Lageklassentabelle nicht zur Bestimmung einer Lageklassennote, die anschliessend mit 6,25 Prozent multipliziert wird und dann im Landwert­anteil resultiert.

 

Neue Tabellen – direkter ­ablesen

In den neuen Lageklassentabellen können die Bestandteile der Landwert­anteile direkt abgelesen und addiert werden.

«Die Summe der jeweiligen Anteile bildet die Basis für die Berechnung des relativen Landwertes, wobei der Marktwert einer unentwerteten Liegenschaft als Grundlage dient.»

Während aus der Lageklassentabelle «Wohnen» die Anteile für Kanton und Raumtyp, Nutzung, Image der Ortschaft / des Stadtquartiers, relative Steuerbelastung und Mikrolage abgelesen werden können, sind aus der Lageklassentabelle «Geschäft» die Anteile derselben Kriterien ablesbar mit dem Unterschied, dass die relative Steuerbelastung durch «Dichte Bürobeschäftigte» ersetzt wird.

Des Weiteren erlaubt die neue Lageklassentabelle «Wohnen» eine Unterscheidung von Wohnnutzungen im Stockwerkeigentum, als Mietwohnung und im Einfamilienhaus. Die Lageklassentabelle «Geschäft» unterteilt die Nutzungen Büro, Verkauf und Gewerbe. (s. Abbildung 3)

Anmerkung

Die Nutzung «öffentliche Bauten» wird nicht abgebildet, weil die Nutzungsmöglichkeiten einer Liegenschaft in einer Zone für öffentliche Bauten eingeschränkt sind. Die Grundstücke sind dem Markt gleichsam «entzogen»; Transaktionen finden innerhalb bestimmter Nutzergruppen statt (öffentliche Hand bzw. dem öffent­lichen Interesse zugewandte Institu­tionen). Es wird deshalb aktuell ­empfohlen, entsprechendes Land, wenn immer möglich nach dem Ansatz «was wäre, wenn…» zu bewerten, sodass im Grundsatz mit der jeweiligen neuen Lageklassentabelle «Wohnen» oder «Geschäft» gearbeitet werden kann.

Relative Werte sind keine Marktwerte

Die Lageklassenmethode ist lediglich geeignet, einen Ertragswert in ­seine beiden relativen Anteile aufzuteilen. Mit der LK-Methode kann kein Wert direkt berechnet werden, auch nicht ein Marktwert. Es handelt sich somit im Grundsatz nicht um eine für Marktwerte geeignete Bewertungsmethode, sondern weiterhin nur um eine Hilfsmethode. Über das entsprechende neue SIV-Themenheft erfahren Sie weitere Details.

Arno Curschellas

Fahrländer Partner Raum­entwicklung, Partner; dipl. Bauing. FH/STV, NDS BWI, MAS in Real Estate Management, Dozent für Immobilienbewertungswesen, Mitglied SIV, Swiss Engineering (STV), Schweiz. Wasserwirtschaftsverband (SWV); Dozent bei SIREA und der FHO