Silvan Mohler, wie fühlen Sie sich als neuer Präsident?
Ich fühle mich sehr gut. Es ist ein spezielles Gefühl, jetzt – nachdem es vor allem ein Betrachten von aussen war – in dieser Rolle zu sein. Ich freue mich auf alles, was kommt, und erlebe den SIV nach diesen ersten Monaten genauso, wie ich ihn wahrgenommen habe: aktiv und prägend.
Sie wurden mitten im Lockdown gewählt. Wie war das?
Eine sehr trockene Angelegenheit. Die meisten Mitglieder haben schriftlich im Vorfeld abgestimmt; so viele wie noch nie. Danke dafür. Der Vorstand war live in einem Sitzungszimmer und hatte einzelne Mitglieder via Telefon und Skype zugeschaltet. Ich wurde gewählt – und dann war’s das auch schon. Kein offizielles Grusswort, kein Apéro, kein Händeschütteln. Es war – der Situation entsprechend – alles etwas auf Distanz. Umso mehr freue ich mich auf die vielen kommenden Begegnungen, das Austauschen mit- und Lernen voneinander – innerhalb des Verbands und auch über die Verbände hinaus. Das ist eine der grossen Stärken des SIV.
Sie sprechen die Partnerschaften wie jene mit dem CEI an …
Ja genau. Dieses Potenzial sollten wir noch stärker nutzen. Wir sind mit dem VAS daran, eine Kooperation aufzugleisen. Und es gibt andere Bewertungsverbände, bei denen wir die Zusammenarbeit intensivieren möchten. Aufeinander zugehen versus gegeneinander zu schiessen, das ist wie schon bei meinem Vorgänger auch meine Devise. Wir wollen uns miteinander weiterentwickeln – für die Sache. Letztlich geht es um solide Werte, die nachvollziehbar hergeleitet werden können und belastbar sind, Stichwort Benchmark und Expertise. Hier sollten wir noch mehr am gleichen Strang ziehen.
In Ihnen schlägt ein echtes Bewerterherz. Was fasziniert Sie an der Bewertung?
Ich finde Bewertung einfach cool. Für mich war’s schon immer faszinierend, wie in der Bewertung alles zusammenfliesst und man etwas auf den Punkt bringen muss. Und dann finde ich halt immer das Resultat, den Wert und den Bericht schön. Ich habe Freude, wenn ich den Knopf drücken und sagen kann: Jetzt habe ich ihn und er ist auf alle Seiten hin stimmig. Und wenn ich zusätzlich noch Aussagen machen kann, die dem Kunden Nutzen bringen – umso besser.
Welche Ziele haben Sie mit dem SIV?
Ich bin daran, ein Bild zu entwickeln, und möchte dann die Ziele festlegen. Sicherlich geht es darum, den Verband weiter auszubauen und zu stärken, was meine Vorgänger Gutes aufgebaut haben. Mir schwebt eine Art Meinungsführerschaft vor und mehr Präsenz. Ich glaube, wir dürfen auch eine Spur frecher werden. Wenn wir diese Ziele anstreben und erreichen wollen, brauchen wir ein noch klareres Profil. Meine Vorstandskollegen und ich werden dieses Thema in den nächsten Wochen anpacken. Im Zentrum wird immer der Nutzen für den Schätzer stehen – das ist mir sehr wichtig. Wenn Sie die Verbandsgrösse ansprechen, schwebt mir eine Mitgliederzahl um die 800 vor.
Bleiben wir noch ein bisschen in der Zukunft, im Jahr 2028. Wie sieht die Immobilienwelt dannzumal aus und was ist auf dem Weg dorthin passiert?
2028 wird die Immobilie nach wie vor eine beliebte Anlageklasse sein, der Markt entsprechend ausgepresst. Er wird noch transparenter sein, der Datenaustausch einfacher, die Datenverarbeitung digitaler. Die verschiedenen Player werden enger zusammenarbeiten und Kooperationen wichtiger denn je sein. Ich denke auch, dass Automatisierung und Effizienz sich weiter ausgeprägt haben und Einfaches von der Maschine abgenommen wird.
Was bedeutet das für den Bewerter?
Der Bewerter muss sich noch mehr spezialisieren. Er soll sein Wissen hochhalten, wo eine Immobilie aus der Norm fällt, wo es komplex wird und Spezialistenwissen gefragt ist. Ich bin zudem überzeugt, dass die gute lokale Vernetzung wichtig bleiben wird. In diesen zwei Punkten kann sich der Bewerter differenzieren. Als Schlüsselfähigkeiten sehe ich zudem das Analysieren und Interpretieren von Daten. Der Bewerter wird sich zudem mehr vom Handwerker in Richtung Sparringpartner entwickeln, der im Gesamtkontext von Preisen und Werten beratend tätig ist – selbst- und verantwortungsbewusst, auf Augenhöhe und neutral.
Wie denken Sie über das Thema Künstliche Intelligenz?
Was die Bewertung anbelangt, befinden wir uns heute noch in den Kinderschuhen. In acht Jahren werden wir ein gutes Stück weiter sein. Bei Künstlichen Intelligenzen geht es mir genauso wie mit den hedonischen Modellen: Sie sollen dort eingesetzt und genutzt werden, wo sie Sinn machen. Eines ist gewiss: Einen Bewerter aus Fleisch und Blut wird es immer brauchen.
Weshalb sind Sie sich da so sicher?
Man darf nicht vergessen, dass eine Bewertung meist für eine Transaktion oder eine Finanzierung gemacht wird. Es geht um einen Entscheid, den es zu fällen gilt. Für diesen Zweck muss man in die Zukunft blicken. Daten, hingegen, sind retrospektiv. Die Bewertung als Entscheidungsgrundlage kann mit Unterstützung von Tools vorbereitet werden. Bewertungsresultate überprüfen und anpassen bleibt Sache des Bewerters, genauso wie das Antizipieren des zukünftigen Ist-Zustands. Der Bewerter ist es, der in Szenarien denken kann und das Gras wachsen hört. Genau dafür braucht es uns.
Hier verrät Silvan Mohler…
Wie er den Kopf auslüftet
Mit meinen drei resp. vier Frauen und beim Sport.
Was ihn auf die Palme bringt
Wenn man nicht offen für Neues ist, sich nicht weiterentwickeln kann.
Was er an seinem Gegenüber schätzt
Geradlinigkeit, Bodenhaftung, Ehrlichkeit und Freude.
Wie er über Frauen in der Szene denkt
Einfach nur super.
Wie emotional Immobilien sind
Als Banker bin ich, was Immobilien anbelangt, von Berufs wegen eher emotionslos. Als Privatperson schaut das ganz anders aus.
Was ihn an einer Immobilie begeistert
Ästhetik, Funktionalität und Qualität
Seinen Bewerter-Stolz-Moment
Als ich vor rund acht Jahren die erste Bahnhofstrasse-Liegenschaft in Zürich bewerten durfte.
Silvan Mohler
*1982, ist seit 30. April 2020 als neuer Präsident des SIV in Charge. Der dipl. Betriebsökonom FH mit Master in Real Estate Management und einem Fachausweis als Immobilienbewirtschafter verantwortet seit 2014 das Immobilienbewertungswesen bei der Thurgauer Kantonalbank. Silvan Mohler lebt mit seiner Familie in Appenzell.