350 Mio. CHF Gesamtinvestition

Herr Crowdlinger wurde dieses Jahr pensioniert und möchte sein Pensionskassengeld gewinnbringend investieren. Eine Immobilienanlage wäre doch etwas, diese gelten schliesslich als sicher. Leider reicht das Geld für eine Eigentumswohnung nicht, schon gar nicht für eine Renditeliegenschaft. Doch da gibt es ein neues Produkt auf dem Markt: Crowdfunding für Immobilien.

Mit dieser sogenannten Schwarmfinanzierung wird er mit einer kleinen Investition direkter Immobilienbesitzer, muss sich um nichts kümmern und reitet auf der digitalen Erfolgswelle. Und wo bekommt man heute eine Rendite von sechs Prozent und mehr? Doch beginnen wir am Anfang.

Es gibt Unternehmen, die das Crowdfunding- Prinzip auf den Immobilienmarkt übertragen haben. Sie reservieren eine Liegenschaft und suchen über Onlineplattformen eine Gruppe Investoren als neue Besitzer. Diese Investoren erwerben Anteile an der Liegenschaft, mit der sie als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen werden. In der Regel sind es 20 bis 25 Investoren pro Liegenschaft. Das fehlende Fremdkapital wird von einer Bank ergänzt. Finden sich genug Investoren, geht die Immobilie mitsamt ihren Rechten und Pflichten in deren Hand über.

Ab CHF 25 000 kann man bereits Miteigentümer werden. Verglichen mit den heute am Markt gegebenen Opportunitäten erzielt man eine hohe Eigenkapitalrendite von sechs Prozent und mehr bei einer Haltedauer von rund sieben Jahren.

Hohe Risiken, hohe Zusatzkosten

Seit drei Jahren gibt es solche Crowd- Immobilien auch in der Schweiz. Die Vorteile liegen auf der Hand. Der digitalisierte Prozess und die einfache Kaufabwicklung über die Online-Plattform haben grosses Potenzial. Auch das aktuelle Tiefzinsumfeld beeinflusst die Anlageform positiv. Dank des Leverage- Effekts kann mit wenig Eigenkapital eine vergleichsweise hohe Rendite erzielt werden.

Doch: Wo hohe Renditen locken, sind Risiken nicht weit. Nebst den bekannten Marktrisiken wie Zinsanstieg oder Wohnungsleerstand warnen Branchenkenner bei Crowd- Immobilien auch vor den rechtlichen Risiken für Kleinanleger. «Insbesondere bei Todesfall oder Urteilsunfähigkeit eines Miteigentümers können grosse Unsicherheiten entstehen», so SIV-Präsident Daniel Hengartner. Er bezweifelt, dass die AGB der Crowdfunding-Anbieter einer rechtlichen Überprüfung standhalten. Ausserdem können sich bereits kleinste Wertminderungen der Immobilie markant auf das Crowd- Kapital der Anleger auswirken. «Das System funktioniert nur in Zeiten von Tiefstzinsen. Sobald die Hypothekarzinsen ansteigen, schmilzt die Rendite wie Schnee in der Sonne», meint der Branchenkenner. 

Hengartner ist erstaunt, dass die Thematik rund um Crowd-Immobilien nicht längst von den Medien aufgegriffen wurde, um Anleger besser aufzuklären und Transparenz zu schaffen.

6
Prozent Rendite

25 000
CHF Startkapital

Komplexität beeinflusst auch Bewertung

Was im Prinzip Crowdfunding simpel erscheint, sieht in der Realität komplizierter aus. So etwa beim Abstossen von Anteilen oder beim Gesamtverkauf einer Liegenschaft. Zwar kann ein Miteigentümer seinen Anteil vor Ablauf der Haltedauer der gesamten Liegenschaft verkaufen, jedoch muss dieser für seinen Anteil zuerst einen Käufer finden.

Für den Verkauf der gesamten Liegenschaft braucht es die Zustimmung der gesamten Miteigentümergemeinschaft, so schreibt es das Gesetz vor. Bei zwanzig oder mehr Miteigentümern kein einfaches Unterfangen. «Nur ein einziger Miteigentümer kann den Verkauf blockieren und seine Miteigentümer über Jahre lahmlegen», so Hengartner. Es liegt auf der Hand, dass sich die reduzierte Handelbarkeit, bedingt durch die vielen Miteigentümer, wertmindernd auf den Verkauf eines Miteigentumsanteils auswirkt.

Nicht zu vergessen die hohen Zusatzkosten: Die Vermittlungsgebühren beim Kauf, die Bereitstellung des Miteigentums und auch die Betreuung und Verwaltung solcher Liegenschaften sind teurer als branchenüblich. Aufgrund der höheren Kosten bei der Transaktion und im Betrieb müssen Crowdfunding-Liegenschaften höhere Renditen ausweisen als Anlagen von Einzelinvestoren.

Daniel Hengartner rät Immobilienbewertern, bei schwarmfinanzierten Immobilien höchste Sorgfalt walten zu lassen und bei der Bewertung eines einzelnen Miteigentumsanteils die Transaktionsund Verwaltungskosten zu berücksichtigen. Auch gilt im Einzelfall zu prüfen, ob Rückstellungen für grosszyklische Renovationen getätigt wurden und diese wirklich ausreichen.

Vorsicht ist geboten

Doch zurück zu Herrn Crowdlinger – was bedeutet das für ihn? Solange die Zinsen tief bleiben, funktioniert die Strategie und er kann von einer guten Rendite profitieren. Jedoch liegt der Erfolg «seiner» Liegenschaft in den Händen der gesamten Miteigentümergemeinschaft. Für einen Verkauf seiner Anteile braucht er einen konkreten Käufer. Dass er seine Anteile zum Kaufpreis oder höher verkauft und eine Rendite erzielt, bleibt zu hoffen.

Wie viele Branchenvertreter steht auch Daniel Hengartner solchen schwarmfinanzierten Anlageformen skeptisch gegenüber. Er würde Herrn Crowdlinger zu einer weniger riskanten Anlagestrategie raten, schliesslich hat er sein Pensionskassengeld hart erarbeitet und braucht es im Alter.

ÜBER SPENDEN FINANZIERT

Die Finanzierung für den Sockel und den Aufbau der Freiheitsstatue
in New York im Jahre 1885 gilt als weltweit erstes Crowdfunding-Projekt.