Der Beruf des Immobilienbewerters ist vielseitig. Neben Methodenkenntnis braucht es Erfahrung und das berühmte, aber schwer fassbare Bauchgefühl. Zudem hat der Bewerter in seinem Berufsalltag mit verschiedensten Personen Kontakt: Viel Fingerspitzengefühl im Umgang mit unterschiedlichen Ansprüchen und Haltungen ist also gefragt. Wie Expertinnen und Experten das erleben, welche Rolle sie den Bewertern zuschreiben und welche Erwartungen sie haben, verraten sie in ihren Statements.

Der Jurist

Thomas Schönenberger, 46, Partner und Verwaltungsratspräsident der Anwaltskanzlei Bratschi AG, spezialisiert auf Bau- und Immobilienrecht
«Der Immobilienbewerter soll unabhängig, erfahren, methodisch, sachlich und korrekt sein. Die Unabhängigkeit ist seine zentrale Eigenschaft, da diese unabdingbar ist für die notwendige Objektivität und damit auch Akzeptanz des Bewertungsergebnisses. Da es sich bei der Immobilienbewertung trotz aller Methodik nicht um eine exakte Wissenschaft handelt, braucht es für gute Resultate auch eine reiche praktische Erfahrung. Diesbezüglich bringt der erfahrene Bewerter gegenüber einem Algorithmus noch einen Mehrwert. Der korrekt arbeitende Bewerter bürgt für eine Objektivierung der im Immobilienmarkt oft vorherrschenden, subjektiven Preis- bzw. Wertvorstellungen. In meiner praktischen Tätigkeit sind Bewerter und deren Arbeit eher selten Gegenstand von Rechtsfällen, dies im Gegensatz zu bautechnischen Experten wie Ingenieuren. Liegenschaftsbewertungen sind aber in Scheidungen und Erbstreitigkeiten mit Liegenschaftsbezug von grosser Bedeutung.»

Der Kunde (1)

Stephan Lüthi, 55, Head Real Estate bei Swisscanto

«Der Immobilienbewerter soll unabhängig, kompetent, methodensicher, erfahren und marktnah sein. Seine zentrale Eigenschaft ist die Unabhängigkeit, er darf sich bei der Festlegung eines Fair Values nicht beeinflussen lassen. Die Bewertung erfolgt nach einigen Grundsätzen: transparent, nachvollziehbar, eindeutig und stringent in den Annahmen. Ein Interpretationsspielraum der Bewertung darf nicht entstehen. Eine automatisierte Bewertung kann zwar hilfreich sein, schlussendlich muss die Beurteilung des Zustandes einer Liegenschaft aber auch künftig durch einen Menschen erfolgen. Nur so ist ein adäquates Gesamtbild möglich. Immobilienbewerter spielen für Swisscanto eine bedeutende Rolle. Dies ist unter anderem der regulatorischen Vorgabe geschuldet, dass die Festlegung des Marktwerts der Liegenschaft in unseren Produkten durch einen unabhängigen Bewerter vorgenommen werden muss.»

Die Expertin

Dunja Kovári-Binggeli, 44, Gründerin und Mitinhaberin von sa_partners mit Sitz in Zürich, Schwerpunkt Strategische Regionalentwicklung, Dozentin am Swiss Institute of Real Estate Appraisal (Sirea)

«Der Immobilienbewerter soll interdisziplinär, vorausschauend, marktorientiert, analytisch und agil sein. Zentral ist, dass er flexibel und vorausschauend denkt. Eine kurzfristige Sichtweise bringt langfristig nicht den gewünschten Erfolg. Neben harten Faktoren sind zunehmend auch weiche Faktoren für die Bewertung relevant. Zudem ist für ein langfristig gutes Investment die Abschätzung von globalen und regionalspezifischen Trends wichtig. Dieses Einfühlen beziehungsweise die Empathie für den Wandel hat der Mensch den Maschinen voraus.»

Der Immobilienbewerter

Detlef Hesse, 58, Mitinhaber Hesse AG Architektur + Immobilientreuhand

«Der Immobilienbewerter soll fachkompetent, unabhängig, unparteiisch, loyal sein und transparent arbeiten. Die Sorgfalt ist seine zentrale Eigenschaft, da unsorgfältige Arbeit zu Fehlentscheiden oder auch grossen monetären Folgeschäden führen kann. Zugegebenermassen liefern heute hedonische Bewertungsmodelle bei vielen Objekten absolut realistische Werte. Hat jemand aber kein 08/15-Objekt, muss man hedonische Ergebnisse dennoch hinterfragen. Ich denke darum, dass es weiterhin Bewerter braucht. Viele spezielle Eigenschaften eines Objektes können statistisch nicht erfasst werden, ein erfahrener Bewerter sieht diese jedoch.»

Der Kunde (2)

Marcel Blum, 53, Leiter Investment
Management bei Implenia

«Der Immobilienbewerter soll kompetent, verlässlich, dienstleistungs- und kundenorientiert sein sowie die ethischen Anforderungen erfüllen. Letzteres ist seine wichtigste Eigenschaft und bildet die Grundlage für die Einschätzung der eigenen Fachkompetenz und jeglicher Zusammenarbeit. Toolgestütze Wertermittlungen sind für Standardobjekte als holistische Basis gut geeignet. Abhängig vom Bewertungszweck, für die Beurteilung einer spezifischen Immobilie sowie für individuelle und komplexe Sachverhalte ist die Expertise des Immobilienbewerters jedoch unerlässlich. Bei uns decken Immobilienbewerter verschiedene Bedürfnisse ab: von der Definition von Marktwerten für die Rechnungslegung über die Herleitung einer Zweitmeinung bis hin zu Marktfeedbacks. Wichtig ist bei Bewertungen die Transparenz sowie die Einhaltung der Standards von RICS und der SVS.»