MARCEL JAEGER
Mitinhaber Jaeger Maffeo Architekten GmbH, Frauenfeld, Winkel und Thusis
«Beim Stichwort ‹Unsicherheit› fällt mir die Zukunft meiner Kinder ein. Wegen der aktuellen Covid19-Situation schaffen wir dieser und weiteren Generationen unlösbare Probleme. Wenn ich etwas im Alltag nicht weiss, dann sage ich dies meinem Gegenüber, um Missverständnisse zu vermeiden. In meinen Bewertungen verwende ich das Wort ‹wahrscheinlich› bewusst nicht, da es unnötigen Spielraum lässt für Interpretationen beim Kunden. Vor einiger Zeit erhielt ich für eine Bewertung ein Dossier, das mich irritierte. Beim Durchlesen wirkten manche Stellen unglaubwürdig – weil ich die Situation sehr gut kannte und auch grundsätzlich eine grosse Erfahrung bezüglich Architektur und Bauvorhaben mitbringe. Zudem gab es einige Widersprüche. Deshalb ging ich direkt auf den Verfasser des Dossiers zu. Im gemeinsamen Gespräch konnten wir die Unstimmigkeiten klären und es stellte sich tatsächlich heraus, dass meine Vermutungen korrekt waren. Ganz ohne Zweifel werden wir wohl nie leben, da wir nicht alles wissen. Die Unsicherheit wird daher ein stetiger Begleiter von uns Menschen sein. Ich bin sicher: Dies schützt uns auch vor gewissen Dingen. Deshalb ist meiner Meinung nach eine gewisse Unsicherheit zu akzeptieren und sollte auch positiv betrachtet werden.»
Meiner Meinung nach ist eine gewisse Unsicherheit zu akzeptieren und sollte daher auch positiv betrachtet werden.
Marcel Jaeger
Daniel Lehmann
Immobilienbewertungen, Architekturbüro Bern
«Die Zukunft kennt niemand, somit ist unser Leben geprägt von Unsicherheiten. Dadurch können wir freudige Überraschungen ebenso erleben wie grosse Enttäuschungen oder Schmerz. Heute könnte unser letzter Tag sein, oder wir haben das Schönste noch vor uns – wir wissen es schlicht nicht, und das ist gut so. Häufiger als das Wort ‹wahrscheinlich› verwende ich ‹voraussichtlich› oder ‹zum Bewertungszeitpunkt›. Es handelt sich dabei immer um Voraussagen. Ich arbeite die Grundlagen stets seriös auf und erhebe die Flächen. Wenn keine oder nicht mehr aktuelle Pläne vorliegen, messe ich vor Ort aus. Schliesslich ist es wichtig, sich vor der Abgabe der Bewertung in Ruhe zu fragen: Kann das sein? Wer kauft das? Häufig lasse ich innerlich die verschiedenen Parteien fiktiv im Streitgespräch gegeneinander argumentieren. Zu Beginn meiner Tätigkeit wurden meine Annahmen selten in Frage gestellt – man genoss den Status eines Experten. Heute müssen die Schätzungen mit Benchmarks belegt werden. Es reicht nicht mehr, eine Bewertung einfach mit ‹eigenen Daten› oder ‹Expertenwissen› zu begründen.»
Die Unsicherheit wäre weg, wenn wir wüssten, was morgen sein wird – aber wollen wir das?
Daniel Lehmann
Gabriel Walzthöny
CAS Immobilienbewerter und Betriebsökonom FH
Büchler AG Immobilien-Dienstleistungen, Niederuzwil und Sirnach
«Wir fühlen uns unsicher, wenn eine Liegenschaft, die wir bewerten sollen, nicht in unserem Marktgebiet liegt. Solche Aufträge lehnen wir ab und verweisen diese an Verbandskollegen. Kenntnis der lokalen Situation führt automatisch zu mehr Sicherheit. Methodisch verlassen wir uns auf das Kapitalisieren von Erträgen. Die konstant gleiche Methode ermöglicht es, eine interne Datenbank mit Kennzahlen zu erstellen und permanent zu erweitern. Bei mir stellt sich das schöne Gefühl der Sicherheit ein, wenn ich bei sämtlichen Parametern ohne Zweifel bin und alle neueren Handänderungen in der Region kenne. Meiner Meinung nach ist in unseren aktuell wirtschaftlich schwierigeren Zeiten das Thema Sicherheit wichtiger geworden. Im Immobilienmarkt sind externe Schocks wie zum Beispiel Corona meist Auslöser für langfristige Veränderungen. Kurzfristig stellt man kaum Veränderungen fest. Es bleibt also spannend.»
Dann stellt sich das schöne Gefühl der absoluten Sicherheit ein.
Gabriel Walzthöny
Attila Wohlrab
eidg. dipl. Immobilientreuhänder, Immobilienbewerter SIV
Immokanzlei AG, Kreuzlingen
«Unsicherheit folgt oft, wenn man sich in Sicherheit glaubt. Dann sind wir oft überrascht und verwundert. Wir Menschen sollten uns bewusst sein, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Und wir müssen versuchen, in der Unsicherheit das Schöne und Positive zu sehen und zu schätzen. Meistens teile ich meine Unsicherheit mit und suche nach der sichersten Variante und Lösung. Manchmal hilft aber auch ein Pokerface, um eine kleine Unsicherheit zu vertuschen. Die Wörter ‹eigentlich›, ‹wahrscheinlich›, ‹grundsätzlich› habe ich aus dem Wortschatz meiner Mitarbeitenden und meinem eigenen verbannt. Kunden möchten klare Antworten, mir geht es genau gleich. Das vermittelt Sicherheit. Auch Erfahrung macht sicher. Man darf nur nicht in die Gewohnheit verfallen: Wir machten das schon immer so. Die mitteleuropäische Mentalität basiert auf absoluter Sicherheit. Sei es in Wirtschaft, Politik, Gesundheitswesen oder Gesellschaft. Wir geniessen viele Privilegien, die uns gerade jetzt in der Pandemie richtig bewusst werden. Am unsichersten bin ich wohl mit meinen beiden Töchtern. Sie sind fünf und neun Jahre alt. Da überlegt man oft: Mache ich alles richtig? Manchmal gehört dann auch eine Entschuldigung bei einem Fehlentscheid bei meinen Mädchen dazu.»
Am unsichersten bin ich wohl mit meinen beiden Töchtern. Sie sind fünf und neun Jahre alt.
Attila Wohlrab