Das neue Schreiben informiert über Besteuerungsvorschriften, die derzeit noch nicht rechtskräftig sind, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt von der kantonalen Steuerbehörde erlassen werden sollen. Im Gegensatz zum vorherigen Kreisschreiben von 2010 werden darin folgende Themen vertieft behandelt: wertvermehrende Aufwendungen; für den Wiederaufbau, den Umbau und die Vollsanierung vorhandener Gebäude anfallende Kosten; die Erneuerung; für den Abzug von Unterhaltskosten massgebende Faktoren; die Pflichten der steuerpflichtigen Person sowie die Beweislast.

Bedeutung und Empfänger von Kreisschreiben

Zunächst muss die rechtliche Relevanz eines Kreisschreibens präzisiert werden: Es handelt sich um kein Gesetz – oder allgemeiner – um keine Rechtsnorm, die von der Legislative oder der Exekutive des Kantons oder des Bunds angenommen wird. Vielmehr dient es der Präzisierung bestimmter Rechtsvorschriften und der Lenkung administrativer Tätigkeiten. Im Steuer­kontext erläutert das Kreisschreiben der steuerpflichtigen Person die Auslegung bestimmter Vorschriften durch die Steuerverwaltung. Es richtet sich an steuerpflichtige natürliche Personen. Gegenstand ist die kantonale Einkommenssteuer oder präziser der Abzug von Gewinnen aus Liegenschaften. In der Schweiz erfolgt die Erhebung der Einkommenssteuer bei natürlichen Personen auf Bundesebene (direkte Bundessteuer), auf kantonaler und auf kommunaler Ebene (mithilfe des Multiplikators). Einkünfte aus Liegenschaften umfassen Einkünfte aus Vermietung, Verpachtung und Nutzniessung; den Eigenmietwert der Immobilien, die der steuerpflichtigen Person kraft eines Eigentums- oder unentgeltlich erworbenen Niessbrauchrechts für die eigene Nutzung zur Verfügung stehen; sowie Einkünfte aus Baurechtsverträgen (Art. 20 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Tessin [Legge Tributaria, LT]; Art. 21 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die direkte ­Bundessteuer [DBG]).

Pauschalabzüge oder ­effektive Kosten?

Gemäss Art. 31 LT darf die steuerpflichtige Person, die private Liegenschaften besitzt, die Unterhaltskosten, die Instandstellungskosten neu erworbener Immobilien, die Versicherungsbeiträge sowie und die Verwaltungskosten Dritter abziehen (Abs. 2). Der Energieeinsparung und dem Umweltschutz dienende Investitionen sowie Rückbaukosten für den Ersatzneubau werden den Unterhaltskosten zugerechnet. Sie sind in den beiden folgenden Steuerzeiträumen abzugsfähig, wenn sie in dem Steuerzeitraum, in dem sie angefallen sind, nicht vollständig abgezogen werden können (Abs. 2bis). Für die direkte Bundessteuer ist eine vergleichbare Vorschrift vorgesehen (Art. 32 Abs. 2 und 2bis DBG; Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements [EFD] über den Abzug der Kosten von Liegenschaften des Privatvermögens bei der direkten Bundessteuer [Liegenschaftskostenverordnung]).

Gemäss Abs. 4 desselben Artikels darf die steuerpflichtige Person anstelle des tatsächlichen Gesamtbetrags der Kosten und Beiträge im Zusammenhang mit Liegenschaften des Privatvermögens einen Pauschalabzug geltend machen. Ein solcher darf einmalig anstelle der effektiv entstandenen Kosten (Unterhalts-, Betriebs- oder sonstiger Kosten) angewendet werden. Es wird unterschieden, ob die jeweiligen Immobilien älter oder jünger als zehn Jahre sind: Für Erstere beträgt der Abzug 20 Prozent des Brutto-Mietvertrags oder des Brutto-­Eigenmietwerts, für letztere 10 Prozent (sowohl bei der direkten Bundessteuer als auch bei der kantonalen ­Steuer). Der steuerpflichtigen Person steht es frei, in jeder Steuer­periode und für jede Liegenschaft zwischen dem Abzug der tatsächlichen Kosten und einem Pauschalabzug zu wählen (Art. 5 Abs. 4 der Liegenschaftskostenverordnung; Art. 2 Abs. 2 der Regelung des Steuergesetzes des Kantons Tessin). Gemäss Art. 33 d LT sind jedoch die für den Kauf, den Bau oder die Wertvermehrung von Liegenschaften entstandenen Kosten nicht abzugsfähig.

Abzugsfähige versus nicht ­abzugsfähige Beträge

Aus dieser Vorschrift geht unmittelbar die Trennung des Konzepts der Unterhaltskosten (abzugsfähig) vom Konzept der wertvermehrenden Aufwendungen (nicht abzugsfähig) hervor. Das Kreisschreiben Nr. 7 teilt Unterhaltskosten in drei Kategorien ein: Unterhaltskosten in engem Sinn, die dem Erhalt der Funktionalität einer Liegenschaft dienen (zum Beispiel die Reparatur von Schlössern oder zerbrochenen Fenstern); Reparaturkosten, welche die Rentabilität einer Immobilie sicherstellen und in längeren Abständen entstehen (zum Beispiel die Erneuerung einer Aussenverkleidung, die sich im Laufe der Zeit abgenutzt hat); sowie für den Austausch und die Modernisierung anfallende Kosten, die den Austausch von Installationen umfassen, die den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden (solche Kosten sind jedoch nur dann abzugsfähig, wenn die neuen Installationen denselben Grad an Komfort wie die vorherigen Installationen bieten). Um diese Kostenkategorie geltend zu machen, ist die steuerpflichtige Person nicht zwingend verpflichtet, dasselbe Elektrogerät (Marke und Modell) zu installieren, das zum Beispiel vor 50 Jahren erworben wurde. Vielmehr muss sie sich am Standard orientieren und ein adäquates Produkt wählen.

Im Unterschied zu den Unterhaltskosten dienen die wertvermehrenden, nicht abzugsfähigen Aufwendungen nicht primär der Erhaltung der Immobilie, sondern der Veränderung ihrer ursprünglichen Merkmale, die mit einer Werterhöhung einhergeht.

Beispiele als Hilfestellung

Der Anhang des Kreisschreibens Nr. 7 enthält eine nützliche Tabelle, die der steuerpflichtigen Person Hilfeleistung bei der Unterscheidung zwischen wertvermehrenden Aufwendungen und Unterhaltskosten bietet. Am Beispiel Badezimmer: Der Austausch bereits vorhandener Badewannen unter Anwendung neuer Techniken stellt abzugsfähige Kosten dar, während die Installation einer Dusche in Ergänzung zu einer bereits vorhandenen Badewanne eine nicht abzugsfähige Wertvermehrung zur Folge hat. Die Belege für solche Kosten sollten dennoch aufbewahrt werden, weil sie bei einem späteren Verkauf der Immobilie als abzugsfähige Investitionskosten geltend gemacht werden können.

Eine weitere wichtige Präzisierung betrifft den Abzug eventueller Unterhaltskosten, die in Verbindung mit einem Wiederaufbau, einem Umbau oder einer Sanierung der Immobilie stehen. Gemäss Art. 33 d LT sind solche Kosten nicht abzugsfähig, wenn aus der sorgfältigen Prüfung der Änderungen in der Praxis ein Neubau oder eine sogenannte Vollsanierung hervorgeht. Falls kein solcher Sachverhalt vorliegt, empfiehlt es sich, jeden baulichen Eingriff einzeln zu analysieren und ihn auf gegebenenfalls abzugsfähige Unterhaltskosten zu prüfen, sofern die üblichen Unterscheidungskriterien berücksichtigt wurden. Für weitere Einzelheiten wird auf das Rundschreiben und seinen erschöpfenden Charakter verwiesen.

Abzug von Rückbaukosten bei Ersatzneubau

Zu guter Letzt müssen mehrere normative Änderungen erwähnt werden, die am 1. Januar 2020 auf Bundes­ebene und im Kanton Tessin in Kraft getreten sind. Hier handelt es sich um die Abzugsfähigkeit von Rückbaukosten für den Ersatzneubau (Art. 31 Abs. 2bis LT; Art. 32 Abs. 2 dritter Satz DBG) – eine Wertvermehrung ist bis heute nicht abzugsfähig – sowie um die Möglichkeit, die überschüssigen Investitionskosten, die dem Energiesparen dienen (jenen Anteil der Kosten, der im massgebenden Steuer­jahr nicht abgezogen werden konnte) – einschliesslich Rückbaukosten –, in den nachfolgenden zwei Steuerzeiträumen geltend zu machen (Art. 31 Abs. 2bis LT; Art. 32 Abs. 2bis DBG). Für ein besseres Verständnis dieser Bestimmungen wird auf die Erläuterungen des EFD vom 9. März 2019 verwiesen. Zu solchen abzugsfähigen Rückbaukosten gehören in Ergänzung zu den tatsächlichen Rückbaukosten für ein vorhandenes Gebäude auch die für die Demontage von zum Beispiel Heizungs-, Sanitär- und Elektroanlagen anfallenden Kosten, ebenso wie die Kosten für den Abtransport von aus der Demontage entstandenen Abfällen sowie die Entsorgung/Beseitigung solcher Abfälle (Art. 2 Abs. 1 Liegenschaftskosten-verordnung). Die tatsächliche Abzugsfähigkeit solcher Kosten ist klar und untrennbar mit der Realisierung eines Ersatzbaus oder eines Gebäudes verbunden, das i) auf dem Grund errichtet wird, auf dem das abgerissene Gebäude stand (Art. 3 Liegenschaftskostenverordnung), und ii) von derselben steuerpflichtigen Person gebaut wurde, die den Abzug (Art. 2 Abs. 4 Liegenschaftskostenverordnung) geltend machen will. Die letzte Grundvoraussetzung für die Abzugsfähigkeit der Kosten ist der Bau einer Immobilie, die einem vergleichbaren Verwendungszweck wie das vorherige Gebäude dient (Art. 3 Liegenschaftskostenverordnung). So zum Beispiel können keine Rückbaukosten für einen Stall abgezogen werden, wenn der Neubau als Hauptwohnung genutzt werden soll. Diese Neuerungen wurden auch in das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) – Art. 9 Abs. 3 a und Abs. 3bis – aufgenommen und sind am 1. Januar 2018 in Kraft getreten. Das vorstehend genannte Bundes­gesetz stellt die Rahmenregelung für die kantonalen Steuergesetze dar. Folglich werden alle Kantone diesen zusätzlichen Abzug in ihre kantonalen Regelungen aufnehmen bzw. haben dies schon getan.

Kelly Scapozza

Master of Law in Recht und Wirtschaft (UNIL), CAS in Steuerrecht – Grundlagen und Vertiefung (SUPSI)