15 %
Leerstände in
1A-Lagen
25 %
Leerstände in
1B-Lagen
Jedes von einem solchen Umbruch betroffene Objekt ist einzigartig – das ist Besonderheit und grösste Herausforderung gleichermassen. Für den/die Eigentümer:in gilt: Faktoren wie Rendite, Innovation, Weitsicht und Vernunft immer wieder auf einen Nenner zu bringen.
Beispiel aus der Praxis
Am nachfolgenden Beispiel soll auf- gezeigt werden, wie eine Liegenschaft, die auf Retail ausgelegt ist, umgenutzt werden kann. Dabei sollen auch die Grenzen des Machbaren und Sinn- vollen dargelegt werden. Wichtig scheint, dass sich Eigentümer:innen mit ihren Liegenschaften auf eine Art Reise begeben, bei der finanzielle Aspekte genauso berücksichtigt werden wie die zukünftige Ausrichtung respektive geplante Nutzungen.
Ausgangslage
Das Geschäftshaus warf für die Eigentümerin lange eine ordentliche und nachhaltige Rendite ab. Mieter waren die OVS sowie die Vögele Shoes. Als Folge der Veränderungen im Markt schlossen sie über die Zeit unrentablen Filialen; OVS zog sich gar ganz aus dem Schweizer Markt zurück. Anfang 2020 erfolgte die Rückgabe der Flächen an die Eigentümerin. Nebst den Ladenflächen wurden im Aussenbereich 20 Parkplätze frei sowie ein Annexbau. Die Eigentümerin war zum Handeln gezwungen; Bewertungen in Varianten wurden in Auftrag gegeben. Der beauftragte externe Bewerter zeigte verschiedene Szenarien auf. Die meisten wurden aufgrund der regionalen Marktlage respektive dem einhergehenden Risiko verworfen.
Drei Beispiele aus der Variantenstudie herausgepickt
Neue Wohnbaute: Sie hätte eine attraktive Alternative zum jetzigen Bau dargestellt. Allerdings weist Huttwil bereits heute eine sehr hohe Leerstandsquote in diesem Segment auf.
Alterswohnungen: Diese Variante in Kombination mit einem Ärztezentrum scheiterte an der Einzelmaske des Arztes, der sich kurz vor Projektstart zurückzog.
Parkplätze: Eine Vermietung von Parkplätzen an Dritte wie P+R, die Interesse zeigten, wurde aus Ertragsgründen verworfen.
Der Entscheid
Durch die Anfrage eines Ingenieurbüros, das im Begriff war, mit einem örtlich ansässigen Büro zu fusionieren, wurde die Idee von Büroräumen angeschoben. Einige Verhandlungen später konnte ein langjähriger Mietvertrag über die gesamte Liegenschaft abgeschlossen werden. Die Liegenschafft wird im Rohbau II zur Verfügung gestellt; der Innenausbau erfolgt durch die Mieter selbst. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses stand das Gebäude bereits seit zwei Jahren leer und generierte vor allem eins: Kosten.
Entscheidungsgrundlagen
Diese Lösung scheint bestechend einfach. Für den Eigentümer bedeutete sie: Entscheid für einen neuen Lebensabschnitt der Liegenschaft. Relevant waren eine nachhaltige Rendite, die Verwendung von ebensolchen Materialien sowie die Berücksichtigung des örtlichen Gewerbes bei der Vergabe von Arbeiten. Die Immobilie in Huttwil gehört zu einem gemischten Portfolio, das auf baulicher Ebene kontinuierlich in Richtung der Verwendung von nachhaltigen Materialien entwickelt werden soll. Finanziert wird die Erneuerung durch bestehende Mittel aus dem Portfolio selbst.
Entwicklungs- und Bauphase
Einen ersten Entscheid über die Qualität der Baute fällte ein erfahrener Bauherrenberater aufgrund der sichtbar verbauten Materialien, dem Erstellungsjahr und der (Ab-)Nutzung über die Zeit. Zusammen mit den Ergebnissen des Statikers und jenen des Gebäudediagnostiker (Schadstoffbeprobung) konnte ein abschliessender Entscheid gefällt werden. Aus den Daten erstellte der Bauherrenberater vorerst ein 3-D-Modell, das durch den Architekten vertieft ausgearbeitet wurde.
Jedes von einem solchen Umbruch betroffene Objekt ist einzigartig – das ist Besonderheit und grösste Herausforderung gleichermassen.
Der Gebäudekomplex wurde bis auf die Tragekonstruktion (Decke/Böden, Säulen, Treppenhaus mit Liftschacht) zurückgebaut. Im Zuge des Rückbaus wurde der Asbest – die Beprobung begab eine leichte Belastung – fachgerecht entsorgt. Eine Belastung durch andere Schadstoffe wie PCB (polychlorierte Biphenyle) oder PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) konnte ausgeschlossen werden.
Grundsubstanz: Die aus Beton und in Ständerbauweise erstellte Grundstruktur wurde freigelegt und auf Schäden untersucht. Die Instandstellungen an der Tragestruktur waren geringfügig und für die Bewertung nicht relevant.
Hülle: Der Aufbau der Aussenhülle des Hauptgebäudes erfolgte mittels Holzbau und einer hinterlüfteten Holzschalung. Der Annexbau, der aus einem einstöckigen Gebäude mit partiellem Untergeschoss besteht, konnte mittels Aussenwärmedämmung mit Putz auf einen vernünftigen energetischen Stand gebracht werden. Das Flachdach wurde über die gesamte Liegenschaft neu abgedichtet, wies zum Zeitpunkt der Erneuerung jedoch keine augenscheinlichen Schäden oder Mängel auf.
Installationen: Sämtliche Installationen wie Sanitär, Bodenheizung und Elektro wurden ersetzt; die Heizleistung erfolgt neu über eine Luft-Wasser-Pumpe. Die Bohrung einer Erdsonde war auf diesem Grundstück nicht möglich; der Entscheid für Fernwärme hätte grössere Erdarbeiten nach sich gezogen.
Ausbau: Dem Mieter wurde die Liegenschaft im Rohbau II übergeben; der Mieter installierte eine Photovoltaikanlage.
Umgebung: Sämtliche Zuleitungen zur Immobilie wurden im Zuge der Gesamterneuerung ersetzt.
Ein weiteres Ziel der Erneuerung war die Gleichschaltung der künftigen Erneuerungszyklen der beiden Gebäudeteile. Der Mietvertrag hatte dahingehend Einfluss auf die verbauten Materialien, dass ein Vertrag über zehn Jahre mit einer echten Option von zehn Jahren sowie ein nicht im Grundbuch eingetragenes «Vorkaufsrecht».
Fokus Bewertung
Oft erhält ein:e Bewerter:in als Basis für die Eruierung des Werts einer Liegenschaft nur ein Minimum an Informationen wie Grundbuchauszug, Mieterspiegel und unvollständige Daten zu den Erneuerungen der Vergangenheit. In diesem Fall gibt es eine fundierte Dokumentation, auf die auch zu einem späteren Zeitpunkt jederzeit zurückgegriffen werden kann.
Durch den Schätzer zu beantwortende Fragen
Was bedeutet eine Grundsubstanz in ihrem ursprünglichen Zustand in Kombination mit neuer Hülle? Welchen Einfluss haben Installationen und Ausbauten auf dem neusten Stand der Technik, die die alte Tragekonstruktion eingebaut sind? Wie kann gewährleistet werden, dass in die Wertermittlung die entsprechenden Daten und Baujahre einfliessen? Darf ein nachhaltiger Ertragswert mit heutiger Nutzung gerechnet werden oder ist die Erneuerung auf einen spezialisierten Mieter ausgerichtet? Ein adäquater Reproduktionswert für die zeitliche Entwertung respektive den Unterhaltsstau der Liegenschaft ergibt sich u.a. durch die entsprechende Entwertung der Grundsubstanz. Letztere wird je nach Ansatz in der Bewertungslehre erst sehr spät in die Entwertung mit einbezogen oder gänzlich vernachlässigt. In der Ertragswertschätzung kann in Huttwil mit einer nachhaltigen Miete gerechnet werden. Aufgrund des Stützenrasters steht einer weiteren Umnutzung nichts entgegen. Auch Retailflächen wären wie ursprünglich vorgesehen wieder möglich – eine gute Ausgangslage für eine gelungene Umnutzung. Nebst allen Informationen, die vorgelegt werden, bleiben das geübte Auge und die Erfahrung des Bewertenden. Er:sie kann über die Architektur und weitere Hinweise Erkenntnis gewinnen und den Wert entsprechend ermitteln.
Gabriela Schmassmann
fma solutions gmbh, Pfäffikon SZ MAS FHO Real Estate Management Valuation
dipl. Immobilientreuhänderin Dozentin an verschiedenen Bildungsinstitutionen, darunter SIREA