Er ist wieder da: der Nullzins! Investitionen in Immobilien gewinnen weiter an Attraktivität. Damit Käuferinnen bei beschränktem Angebot zum Zug kommen, müssen sie bei Preisgeboten steil ins Rennen gehen.
Investitionsentscheidungen liegen meist Bewertungen zugrunde. Anlageimmobilien in der Schweiz werden im Wesentlichen mittels der DCF-beziehungsweise Ertragswertmethode bewertet. Das bewahrt uns vor der Volatilität, die wir in anderen Ländern beobachten. Dort bilden sich Werte oft im Vergleichswertverfahren. Die relative Trägheit der Anpassung von Diskontierungssätzen an Kapitalmarktveränderungen führt in Kombination mit stabilen Erträgen dazu, dass Schweizer Immobilienwerte einem Glättungseffekt unterliegen.
Daraus ergeben sich die in Tiefzinsphasen bekannten Herausforderungen: Die Anleger verlagern mehr Kapital in den Immobilienmarkt und der Markt reagiert mit Preiserhöhungen auf den Anlagedruck. Die Bewertungen sollten die tiefen Ankaufsrenditen bestätigen, was aufgrund der Glättungseffekte herausfordernd ist.
Zuweilen beobachten wir kreative Herangehensweisen, um dieser Herausforderung zu begegnen. Mittels einer individuellen Anpassung des Diskontierungssatzes kann der Preistrend kurzfristig nachvollzogen werden. Beim Ankauf in Bestandsportfolios ist dies mit Bedacht zu verfolgen, da ansonsten Wertänderungen resultieren, die nicht der Schweizer Bewertungsusanz entsprechen.
Eine weitere Möglichkeit, die Ankaufsrendite für Investoren oder Finanzierer zu plausibilisieren, ist die Finanzierung. Diese wird in Discounted-Cashflow-Bewertungen üblicherweise ausgeschlossen, kann aber bei Investitionsentscheiden ein wichtiges Kriterium sein. Aufgrund des Hebeleffekts kann mit einer tief verzinslichen Finanzierung die Ankaufsrendite für den Investor aufgebessert werden.
Die finanzierungsgetriebene Preisbildung war besonders während der Negativzinsphase zu beobachten. Ob Hebeleffekte vor dem Hintergrund des Basel III-Regelwerks auch in der aktuellen Tiefzinsphase preisbeeinflussend wirken, bleibt auch mit Blick auf die hohen Mittelzuflüsse im institutionellen Segment zu beobachten. Weitere Werttreiber sind die Erhöhung von Erträgen und die Reduktion von Ausgaben, was zu höheren Nettoerträgen führt.
«Werte sind dehnbar, Preise sind machbar.»
Konkret kann die Ertragsseite durch höhere Vertragsmieten verbessert werden, die sich aus der Vertragsparteienkonstellation oder Nebenabreden ergeben können. Gelegentlich wird beobachtet, dass nicht vorhandene Flächen Erträge generieren oder Erträge aus höherwertigen Flächen dargestellt werden, die so nicht vorhanden sind.
Die Ausgabenseite kann durch eine vorteilhafte Einschätzung der Zustandsqualität oder das Ausblenden rechtlicher oder reglementarischer Rahmenbedingungen reduziert werden. Auch das unterstellte Mietverhältnis (z. B. Triple Net) kann sich vorteilhaft auf das Ausgabenniveau auswirken.
Bei einer Schubumkehr, also bei steigenden Zinsen, können sich kumulierende Effekte aufbauen und ein zu optimistisches Bewertungsszenario in Schall und Rauch aufgehen. Das konnten wir in prominenten Fällen beobachten.
Werte sind dehnbar und Preise sind machbar. Deshalb ist es wichtig, dass Investorinnen und Finanzierer verstehen, wie der Wert ermittelt wurde. Nur dann können sie darauf vertrauen, dass die Bewertung dem Investitionsszenario entspricht und die Portfoliostrategie berücksichtigt. Neben der konsequenten Analyse der Bewertungsgrundlagen und -parameter sowie der Disclaimer ist es unerlässlich, dass für jede Akquisition oder Finanzierung eine Due Diligence vorgenommen wird, welche die transaktionsrelevanten Bausteine umfasst.
Diese Verantwortung über die Transaktion ist nicht delegierbar – sie liegt beim Erwerber beziehungsweise Finanzierer.
Zur Person
Beat Seger verfügt über 40 Jahre Erfahrung als Entwickler, Investor und Berater im nationalen und internationalen Immobiliengeschäft. Er hat einen MAS Real Estate UZH, ist Mitglied im SIV und im Fachrat Digitale Transformation des SIA. Beat Seger ist Partner und Immobilienexperte bei KPMG Schweiz und deren Chief Digital Officer.

