Erstmals öffentlich verhandelt wurde die ikonische Bevölkerungszahl von 10 Millionen im September 1961. Damals fand eine Tagung der schweizerischen Vereinigung für Landesplanung unter dem Patronat des Bundesrates statt. Die Teilnehmenden beschäftigten sich vorausschauend mit zukünftigen Entwicklungen. Entgegen der landläufigen Ansicht waren sie, bezogen auf die zukünftige demografische Entwicklung, nicht naiv unterwegs. Zwei Orientierungsgrössen dazu: Vor 64 Jahren wohnten hierzulande rund 5,5 Millionen Menschen, aktuell sind es gut 9 Millionen.

Der Hintergrund: In den 1960er-Jahren brummte die Schweizer Volkswirtschaft. Die Nettozuwanderung aus dem Ausland verzeichnete Spitzenwerte. Gleichzeitig rückten negative Begleit­erscheinungen des Wachstumsbooms etwa in der Form von Wohnungsnot, Umweltzerstörung und Zersiedelung ins öffentliche Bewusstsein. Doch dieses Wachstum erwies sich weder als Sackgasse noch als landesweites Phänomen. Es liefen auch Schrumpfungsprozesse ab. So erreichte die Stadt Zürich erst kürzlich wieder – nämlich 2023 – die Bevölkerungszahl von 1962. In der Zwischenzeit kämpften die Behörden fieberhaft gegen den kommunalen Bevölkerungsschwund. Mit Erfolg, denn die Bevölkerungsdichte in der Limmatstadt entspricht heute wieder derjenigen vom Beginn der 1960er-Jahre, nämlich gut 50 Einwohnerinnen und Einwohner pro Hektare.

Ein kleiner statistischer Abstecher mag hier aufschlussreich sein: So tendierten die städtischen Leerwohnungsziffern mit 0,02 Prozent (1962) und 0,07 (2024) gegen null. Die Wohnungssuche verlief auch damals – wohlgemerkt ohne Internet – schon harzig. Der springende Punkt ist ein anderer: Während heute im Durchschnitt knapp zwei Menschen in einer Wohnung leben, waren es vor circa 60 Jahren noch deren drei. Insofern endet ein in der Gegenwart allenfalls monierter Dichtestress in der Regel mit dem Betreten der eigenen Wohnung.

«Der anhaltende Urbanisierungsprozess wird sich markant akzentuieren.»

Die prognostische Quantifizierung der zukünftigen Wohnbevölkerung der Schweiz ist ohne Frage anspruchsvoll. Doch mindestens so interessant und relevant sind Fragen zu den individuell-­konkreten Wohnsituationen: Wo und wie wohnt die dereinstige Bevölkerung; beispielsweise um das Jahr 2050? Eine schlüssige Antwort habe ich (noch) nicht, aber eine Arbeitshypothese: Deren fundierte Herleitung würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Sie, die Hypothese, umfasst drei Elemente: Erstens dürften zukünftig frappant mehr Haushalte in echt urbanen Gebieten ihre Bleibe haben. Zweitens wird sich der anhaltende Urbanisierungsprozess markant akzentuieren und intensivieren. Und drittens rückt man wohnungsmässig wieder näher zusammen. Mit anderen Worten: Das knappe Gut «Wohnraum» würde effizienter genutzt werden. Letzteres wäre nachweislich nichts Neues und der Konsum von Wohnraum pro Kopf würde auf diese Weise gebremst. Dass mit einem solchen Szenario keine Einbussen weder bei der individuellen noch der kollektiven Lebens- und Wohnqualität verbunden wären, versteht sich (nicht) von selbst. Wer aber daran zweifelt, dem sei eine Reise nach Tokio empfohlen.

Zum Schluss eine polemische Anmerkung: Unterstellt man den zeitgenössischen Prognostikern denselben Weitblick, wie es in den 1960er-Jahren der Fall war, wäre das Szenario einer 16-Mil­lionen-Schweiz angemessen. Wie dem auch sei, eines ist allen Unkenrufen zum Trotz gewiss: Der schweizerische Gebäudepark wird in den nächsten Jahrzehnten so oder so kräftig weiterwachsen. Denn wer an die Zukunft glaubt, baut. Das ist auch oder zumindest für alle Schätzerinnen und Schätzer eine rosige Perspektive.

Zur Person

Urs Hausmann studierte an der Universität ­St.Gallen (HSG) Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkten in Regional- und Umweltökonomie sowie Wirtschaftsethik. Seit rund 28 Jahren ist er als Unternehmensberater tätig. Daneben wirkt er als Verwaltungs- und Stiftungsrat und doziert an Hochschulen. Sein Buch «Liegenschaften wert­geschätzt» wurde 2019 veröffentlicht.