«Warum kommt Albertli nicht in die Schule – ist er krank?» Die Frage der Lehrerin irritierte meine Mutter. «Nein – der geht immer in die Schule», antwortete sie. Da lag meine Mutter ziemlich falsch. Mein Schulweg führte am Freibad Teufen vorbei, das mich schon damals faszinierte. Oft habe ich mich deshalb, statt in die Schule zu gehen, oben am steilen Bord einfach hingehöckelt und dem Treiben unter mir zugeschaut. Nicht selten durfte ich auch dem Badmeister etwas aushelfen und erhielt dafür ein Glace. Das war etwas vom Grössten für mich.
«Eine Sanierung hätte privat nicht finanziert werden können.»
Gut 15 Jahre später, als 1985 der damalige Badmeister beim Rasenmähen verunfallte, wurde mein Chef in der Schreinerei angefragt, ob er mich nicht für ein, zwei Monate ausleihen könne – da ich ja über das Rettungsschwimmer-Brevet verfügte. Im Jahr darauf wurde die Stelle ausgeschrieben, ich habe mich beworben und Glück gehabt: Seit 38 Jahren bin ich nun mit Leidenschaft Leiter der Badi Teufen. Mein grosses Engagement brachte mir auch schon den nicht ganz ernst gemeinten Vorwurf, man könne meinen, das Bad gehöre mir allein.
Freibad verschenkt
Im Verwaltungsvermögen der Gemeinde steht die Anlage zwar mit null Franken drin. Selbstverständlich entspricht das in keiner Weise dem Wert, den die Badi für mich darstellt. Es tönt vielleicht verrückt – aber sie ist für mich so etwas wie ein Kind. Man muss sie einfach gernhaben. Und ich habe ja auch den grössten Teil meiner Zeit hier verbracht. Meine «echten», mittlerweile erwachsenen Kinder mussten in den Sommermonaten oft auf mich verzichten. Im Winter hatten sie dafür mehr von mir. Während der ersten 13 Jahre, als ich die Anlage noch allein betreute, waren 12- bis 16-Stunden-Schichten an sieben Tagen pro Woche die Regel. Morgens zwischen fünf und sechs Uhr gings los – bis abends um acht oder später. Aber ganz ehrlich: Genau das waren meine schönsten Jahre.
Heute geht es morgens immer noch früh los, dafür kann ich meist schon um halb fünf nach Hause. Möglich ist dies, da mittlerweile acht bis neun Personen in Teilzeit angestellt sind. Die personelle Aufstockung war nötig: Beispielsweise ist es nur schon von der Aufsicht her viel aufwendiger, seit wir die Anlage 1998 für gut sechs Millionen Franken renoviert und vergrössert haben. Damals hat die Schwimmbad Teufen AG übrigens das Freibad der Gemeinde geschenkt – da die Sanierung privat nicht hätte finanziert werden können.
Wertschätzung da und dort
Für mich vereinen sich in meiner Arbeit zwei Dinge, die ich von Herzen mag: der Umgang mit Menschen und die handwerkliche Arbeit. In diesem Beruf gilt die 4M-Regel: Menschen muss man mögen. Ich erlebe teilweise schon die dritte Generation der Tüüfner Familien – einstige Kinder kommen heute selbst mit ihren Kindern, junge Eltern von damals mit ihrer Enkelschar.
«Im Verwaltungsvermögen der Gemeinde ist die Anlage mit null Franken eingetragen.»
Mein oberstes Gebot ist die Werterhaltung der Badi. Die Anlage, die man mir anvertraut hat, muss sicher und sauber sein. Und für deren Unterhalt konnte ich meine handwerklichen Fähigkeiten aus meinem früheren Beruf natürlich schon zig Male anwenden. Ein defekter Ablauf, eine kaputte Lichtschranke beim Pissoir, die Reparatur von Rohren unserer Kochsalz-Elektrolyse-Anlage – dafür brauche ich keine externen Fachleute.
Schön ist es für mich ausserdem, wenn ich sehe, wie hoch die Wertschätzung unseres Freibads auch bei der Behörde und den Gästen ist. Vor rund sechs Jahren hat es beispielsweise kurz Knatsch gegeben, als einige Leute das Ende der Badi gefordert haben, weil sie zu teuer sei im Unterhalt. Aber keine Chance: Die Gemeinde stand voll hinter der Badi. Oder als wir dieses Jahr aufgrund gestiegener Energie- und Wasserkosten die Eintrittspreise erhöhen mussten: keinerlei Gemurre seitens unserer Gäste. Ganz leicht wird mir die Pensionierung per Ende Saison 2025 nicht fallen. Meinem Chef habe ich bereits signalisiert, auch danach für kleinere Arbeiten in der Badi zur Verfügung zu stehen – wie einst Albertli.
Zur Person
Albert Müller (64) wuchs in Teufen auf. Nach der Schulzeit absolvierte er eine Lehre als Zimmermann. Weil in diesem Beruf die Digitalisierung mehr und mehr das Handwerk ersetzte, wechselte er in eine Schreinerei. Bereits als 26-Jähriger orientierte er sich völlig neu und übernahm 1986 die Stelle als Badmeister im Freibad Teufen, das damals noch nicht der Gemeinde, sondern der Schwimmbad Teufen AG gehörte.